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1 Freudiges Wiedersehen

Kolumbien 2023

Über die Grenze nach Kolumbien fuhren wir mit viel Vorfreude. Nicht nur, weil wir viele tolle Dinge über Kolumbien gehört hatten, sondern vor allem, da dort zwei Freunde auf uns warteten. Nach einem kurzen Abstecher nach Cali, wo wir noch einen neuen Reifen abholen mussten und einer neue geschweissten Topcase-Halterung an Rino's Motorrad war dann endlich der Zeitpunkt gekommen! Wir trafen Melina und David in der Tatacoa-Wüste im südlichen Kolumbien. Melina und David (@motornotes) haben ihre Reise vor 1.5 Jahren in Kanada gestartet, sind wie wir mit zwei Motorrädern unterwegs und fahren Richtung Süden. Grobes Ziel ist Ushaia, der südlichste Punkt Südamerikas. Wir hatten die beiden vor rund 4 Jahren an einem Motorradreisetreffen in der Schweiz kennen gelernt und uns sofort super verstanden. Als sie auf ihre Reise starteten, war klar, dass sich unsere Wege irgendwo kreuzen. Dies war nun der Fall. Die Freude war riesig und wir hatten uns unendlich viel zu erzählen. Als Reisende kapselt man sich recht stark ab. Mit Freunden und Familie Zuhause kann man zwar in Kontakt sein, aber niemand, der nicht selbst lange gereist ist, kann die alltäglichen Dinge und Probleme verstehen und nachvollziehen und das mit anderen Reisenden ein so enger Kontakt entsteht, dass man wirklich über sehr private Dinge spricht, ist auch selten. Umso wertvoller ist diese Freundschaft mit Melina und David. Während der ganzen Reise standen wir immer wieder in engem Kontakt und spürten, dass wir uns genau über die Themen unterhalten können, die man normalerweise mit niemandem teilen kann.
Als wir am nächsten Morgen aus der Wüste raus fuhren, hörte ich bei meinem Motorrad ein metallener Klack, als ob ich einen grossen Stein erwischt hätte. Ich hielt an und wir überprüften das Motorrad und schnell sahen wir, was passiert war. Das hintere Federbein war gebrochen, genauer gesagt die Feder rundherum und nicht das komplette Federbein. Ich hatte mich am liebsten weinend in den nächsten Strassengraben gesetzt. Nachdem mein Motorrad endlich wieder korrekt lief und sich nicht immer selbst ausschaltete, kam jetzt das noch oben drauf. Aber es half nichts. Wir entschieden uns auf der Hauptstrasse weiter zu fahren, um das Federbein möglichst zu schonen, damit nicht noch mehr kaputt ging und fuhren so schnell wir möglich Richtung Norden. Dort hatten wir zu viert ein Haus gemietet, in dem wir uns viel Zeit füreinander und zum Entspannen nehmen wollten. Von dem her kam der Federbruch eigentlich in einem guten Moment.

Das Haus war der absolute Wahnsinn. Genau das, was wir alle vier gebraucht hatten. Wir hatten einen tollen gemeinschaftlichen Bereich und zwei schöne Schlafzimmer mit Bad und das beste war eine traumhafte Aussicht und absolute Ruhe. Wir fühlten uns alle sehr wohl und genossen jeden einzelnen Augenblick. Ich begann eine Tasche zu häkeln, Melina strickte zwei Mützen, David war oft am Laptop und gamte und Rino machte sonst was. Ab und zu wurde an einem der Motorräder geschraubt und Rino und ich machten noch einen 2-tages Ausflug nach Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, um das Federbein reparieren zu lassen. Die restliche Zeit quatschten wir, lachten wir, machten Yoga, kochten und backten wir. Das Haus verliessen wir nur, um einkaufen zu gehen, ansonsten waren wir glücklich und zufrieden wiedermal ein Zuhause und eine Küche zu haben. Einmal pro Woche gab es einen Filmabend mit Pizza und Bier auf dem Sofa. Wenn man so lange unterwegs ist, sind genau solche Kleinigkeiten unglaublich wertvoll und wir genossen sie sehr. Gegen Ende unserer gemeinsamen Zeit (5 Wochen) merkten wir dann, dass wir nichts angeschaut hatten, was wir uns vorgenommen hatten. Also mussten wir doch noch ein/ zwei kleine Ausflüge machen. Wieder los zu kommen, fiel uns allen extrem schwer. Einerseits wegen dem Austausch und dem tollen sozialen Kontakt und andererseits merkten nicht nur wir, dass wir müde sind vom Reisen. Auch Melina und David hatten diese Auszeit dringend nötig, um wieder frische Energie zu sammeln. Ein gemeinsames Ziel hatten wir aber noch, die Wasserlöcher „las Gachas“. Eine Tagesreise entfernt gab es einen Fluss, der natürliche Löcher in der Stein spült, wo man baden kann. Klingt speziell und das war es auch. Die Löcher sind teilweise nur wenige Zentimeter tief, können aber auch so tief sein, dass man nicht darin stehen kann. Auch der Durchmesser variiert sehr stark, die grössten haben einen Durchmesser von sicher 2m. Der pure Badespass! Jedes Loch kann erforscht und entdeckt werden, man weiss nie wie tief es ist und man kann in die Löcher hinein rutschen.
Abends spielten wir auf dem Campingplatz noch eine Runde Tejo, das Nationalspiel Kolumbiens. Um es spielen zu können, muss man ein Bier kaufen und dann darf man auf die Spielbahn. Das Spiel wird in zwei Mannschaften gespielt und es gibt zwei Rahmen, die mit Sand oder Lehm gefüllt sind und einen Metallkreis in der Mitte haben. Auf diesen Metallkreis steckt man 3 gefaltete Papierdreiecke mit Schwarzpulver drin. Das Spiel ist einfach, jeder wirft einen Spielstein auf diesen Rahmen mit dem Ziel, die Schwarzpulversäckchen zu treffen. Wenn man trifft, gibt es eine kleine Explosion und Punkte für die Mannschaft, wenn nicht, bekommt das Team am meisten Punkte, das am nächsten am Kreis war. Aber natürlich ist der Reiz, dass es so viele Explosionen wie möglich gibt. Dieses Spiel wird in Kolumbien überall auf dem Land gespielt und es gibt sogar Meisterschaften dafür. Es macht auch wirklich Spass, wenn man trifft, aber es ist definitiv schwieriger als gedacht und mit der Zeit mussten wir die Anzahl der Schwarzpulversäckchen erhöhen, dass auch mal jemand getroffen hat.

Dann hiess es Abschied nehmen. Dies fiel uns allen recht schwer, aber wir hatten eine wirklich tolle gemeinsame Zeit und würden sicher noch intensiver in Kontakt bleiben als vorher. Melina und David zog es Richtung Süden, nach Ecuador an ein Motorradreisetreffen und uns zog es etwas mehr in den Norden.

Unser nächster Stopp war einer der schönsten Campingplätze Kolumbiens in Barichara. Barichara ist ein Dorf bekannt für seinen speziellen Charme und Architektur und zwei Holländer hatten sich vor einigen Jahren dort nieder gelassen und einen Campingplatz eröffnet. Wir waren in diesem Moment etwas ziellos und so bot es sich an, dort ein wenig auszuhelfen. Als sie erfuhren, dass wir Schreiner sind, waren sie natürlich direkt interessiert und hatten auch schon einige Projekte, die sie schon lange umsetzen wollten. In ganz Südamerika ist es nicht üblich einen Tumbler zu haben. Doch gerade mit Gästen ist es sinnvoll, wenn die Wäsche schnell trocknet und man genügend Platz zur Verfügung hat, um die Wäsche aufhängen zu können. Das Problem sollte nun behoben werden und wir bauten einen Wäscheständer mit transparentem Dach, wo die Wäsche möglichst schnell trocknen kann. Wie immer war das Projekt dann doch etwas aufwändiger als gedacht, aber wir waren alle mit dem Endergebnis sehr zufrieden und unser Wäschetrocknungstest zeigte, dass er auch wunderbar funktionierte.
Als Rino etwas aufhob, was hinter seinem Motorrad lag, sah er zufälligerweise, dass sein kompletter Heckrahmen gebrochen war, durch die dauerhaften Vibrationen des Topcases. Wie auch schon bei meinem Motorrad in Peru war es uns sehr wichtig einen sehr guten Schweisser zu finden, der einen solchen Bruch professionell reparieren kann, sodass wir mit gutem Gewissen den Rahmen weiterhin belasten können. Es ist generell schwierig so jemanden zu finden und wenn, dann sind sie nur in den Grossstädten vertreten. Also mussten wir wiedermal nach Bogotá. Da auch die Besitzer der Campings notfallmässig zum Zahnarzt nach Bogotá mussten, blieb ich auf dem Camping und Rino fuhr die 320km, für 3 Tage nach Bogotá, um seinen Rahmen schweissen zu lassen. Ich hoffte auf einige ruhige Tage auf dem Camping, aber natürlich kam es anders und ich hatte volles Haus und einige nicht ganz so tolle Gäste, die besonders viel Aufmerksamkeit benötigen. Während unserer Zeit in Barichara kam noch ein anderes Paar auf den Camping. Stefan und Kathrin, zwei Deutsche, die in Kanada wohnen und mit einem kleinen Bus unterwegs sind. Schon am ersten Abend kamen wir ins Gespräch und plötzlich kochten wir jeden Abend gemeinsam und quatschten bis spät in die Nacht. Solche Begegnungen hatten wir selten und wir fühlten uns sehr wohl mit ihnen und sie mit uns. Es gab viele gemeinsame Interessen, die wir teilen konnten und Bereiche, in denen wir voneinander lernen konnten.
In Barichara hatten wir noch eine andere Mission: unsere neuen Motorradkleider zu empfangen. Wir haben Motorradkleider von Klim, einer Topmarke aus den USA, gesponsert von Marc von MMD Adventures in der Schweiz. Wir sind sehr zufrieden mit den Kleidern und auch nach so langer Zeit und intensivem Gebrauch, waren sie noch in guten Zustand. Aber leider waren sie nicht mehr wasserdicht. Und gerade seit Ecuador hatten wir häufig kurzen, aber intensiven Regen und da haben sie leider schon nach 10min das Wasser durchgelassen. Uns hat das nicht erstaunt, da auch die beste Goretex-Membran irgendwann nicht mehr richtig funktioniert. Aber Klim und Goretex haben lebenslange Garantie auf ihre Produkte. Also bekamen wir unsere beiden Kombis ersetzt. Nun hatten wir aber das Problem, dass sie nicht nach Kolumbien senden und wir viel zu viel Steuern hätten bezahlen müssen. Also suchten wir andere Wege und fanden die Möglichkeit, die Kleider über Miami USA nach Panama City senden zu lassen. Dort ist die Overland Embassy, ein Unternehmen, das den Reisenden hilft, ihre Fahrzeuge von Panama nach Kolumbien zu versenden und sie empfingen die Kleider und gaben sie an Reisende weiter. In einem Bus, der in einem Container nach Kolumbien verschickt wurde, kamen die Kleider ins Land und zwei andere, mit einem grösseren Bus, brachten sie uns dann nach Barichara. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Wege wir Reisende finden, um das zu bekommen, was wir benötigen und wir sind auf die gegenseitige Hilfe angewiesen. Ohne all die Menschen, die bereit waren für uns die Kleider in Empfang zu nehmen, mitzunehmen und weiter zu reichen, hätte das Ganze nie geklappt. Wir brauchten 2 Monate um alles zu organisieren und waren dann mehr als nur froh, als wir die neuen Kleider endlich in den Händen hielten. Doch einen bitteren Beigeschmack hatte das Ganze, wir mussten unsere alten Kleider in zwei Teile schneiden, damit sie niemand mehr gebrauchen kann. Da diese Kleider unsere treuen Reisebegleiter waren und wir jeden Tag so viel Zeit darin verbracht hatten, fiel uns diese Aufgabe sehr schwer. Wir hätten sie gerne gespendet, aber wir verstehen auch die Richtlinien von Klim, dass bei einem Austausch auf Garantie, die Kleider ausgetauscht oder falls das nicht geht zerstört werden müssen.

Weiter in den Norden wollten wir nicht. Die Karibikküste ganz im Norden von Kolumbien soll zwar wunderschön sein, aber hatten in Brasilien genügend Sonne, Strand, Meer und vor allem Hitze gehabt, sodass wir wussten, dass es für uns einfach zu heiss ist dort oben. Stattdessen zogen wir einen Bergkamm weiter nach Westen und buchten uns ein Airbnb in Medellín für einige Tage. Wir hatten schon viel von Medellín gehört und es ist definitiv eine der bekanntesten Städte Kolumbiens. Wie immer hatten wir eine Unterkunft ausserhalb der bekannten Viertel und wir müssen leider eingestehen, dass wir recht geschockt waren ab Medellín. Wir waren in so gut wie allen Grossstädten Südamerikas und meistens haben wir uns da in eher fragwürdigen Vierteln, wo alle Motorrad- und Automechaniker sind, herum getrieben. Wir sind immer überall hin zu Fuss gelaufen und haben uns in keiner Stadt je unsicher gefühlt. Doch in Medellín fühlten wir uns nicht sehr wohl. Es gab zwar einige Orte, wo wir keine Bedenken hatten, aber zwei Strassen weiter, war dieses Gefühl dann wieder weg. Wir haben noch in keiner anderen Stadt nicht nur so viele Obdachlose gesehen, sondern auch Drogenabhängige. Auf öffentlicher Strasse, an den öffentlichen Plätzen haben wir Drogenabhängige gesehen, die vor allen Leuten ihre Drogen konsumierten und da sprechen wir nicht nur von ein paar Joints die geraucht wurden, sondern vor allem der Konsum von harten Drogen bis hin zu Spritzen, die gesetzt wurden. Das hatten wir so noch nie gesehen und wir waren sehr überrascht. Diese Beschreibungen kennen wir nur von Nordamerika, aber nicht von Südamerika. Auch war es das erste Mal, das wir ein Taxi zurück zu unserer Unterkunft nahmen, aus dem einfachen Grund, weil wir uns unwohl fühlten, wieder den ganzen Weg zurück zu laufen.

Spannend an dieser Erfahrung finden wir, das komplett andere Bild, das wir von Kolumbien bekommen haben. Wir kannten schon die ärmere Dorfbevölkerung, die touristischen Orte und die Grossstadt Bogotá und nun kam noch ein anderes Bild dazu, das sich zu all diesen bisherigen Bildern einordnen muss. Als wir nach Kolumbien rein fuhren sind uns die Menschen am Strassenrand aufgefallen, die offensichtlich mit ihrem ganzen Hab und Gut unterwegs, meistens Richtung Süden sind. Es sind sehr arme Bilder, ganze Familien, die abends am Strassenrand ein Feuer machen, um es etwas wärmer zu haben und sich vielleicht etwas zu essen zu kochen. An Strassenkreuzungen wird man von genau diesen Menschen angesprochen, ob man nicht vielleicht etwas zu essen hat für sie. Wir sind uns nicht ganz sicher, woher diese Menschen kommen, aber wir gehen davon aus, dass es Leute aus Venezuela sind, die auf der Suche nach einem besseren Leben ihr Land verlassen haben und jetzt Richtung Süden ziehen, in ein neues Zuhause. Diese Menschen haben sehr wenig bis nichts und wir gehen davon aus, dass dieser Flüchtlingsstrom für Kolumbien, wie auch für die meisten südamerikanischen Länder nicht gerade einfach ist.

Und trotz all diesen nicht so schönen Dingen, hatten wir eine spannende Zeit in Medellín und genossen auch den botanischen Garten. Nach unserem Besuch in Medellín gab es nur noch eine Richtung für uns und zwar zurück nach Süden, wo diesmal keine Menschen, sondern ein Van auf uns wartete.







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