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Chile 2021

6 In der Wüste

Die Atacama Wüste oder besser gesagt San Pedro de Atacama hat uns über zwei Monate festgehalten und wollte uns nicht mehr los lassen...

Eigentlich wollten wir für etwa zwei Wochen nach San Pedro de Atacama kommen. Unser Freund Marcus aus Österreich (@ride_hard_and_travel_gentle), den wir schon in Hurtado besucht haben, war schon länger hier und wir wollten ihn besuchen kommen, einige Ruhetage einlegen, uns ein Paket von Europa senden lassen und einen Sandtrainingkurs absolvieren. Dies war der Plan. Aber wie wir wissen, ändern sich Pläne konstant und wir müssen immer wieder feststellen, dass unsere Pläne aus irgendwelchen Gründen fast nie funktionieren. Diesmal war es das Selbe, aus zwei Wochen wurden mal schnell 2.5 Monate. Aber warum eigentlich?

Alles fing wunderbar an. Wir kamen in San Pedro de Atacama, einer sehr touristischen Kleinstadt auf 2500 müM. im Norden von Chile, nahe der bolivianischen und argentinischen Grenze an. Wir fanden San Pedro vom ersten Moment an super. Es versprüht ein sehr alternatives Flair, ist voll von Artesania (lokale Handwerkskunst) und die Leute scheinen sehr locker drauf zu sein. Auch der Campingplatz, den sich Marcus schon ausgesucht hatte (Andes Nomads), entsprach uns sehr und der Besitzer Mauricio war sehr freundlich und extrem hilfsbereit.

Und dann kam uns die Idee, uns ein Paket aus Europa schicken zu lassen. Wegen unseren ursprünglichen Reiseplänen (nach Asien) lagen in der Schweiz noch neue Bremsscheiben mit Zubehör für beide Motorräder . Da wir diese Ersatzteile nur ungern dort liegen lassen wollten und wir die Bremsen bald ersetzen sollten, entschieden wir uns, alles nach San Pedro senden zu lassen. Damit alles reibungslos funktioniert, versendeten wir das rund 10kg schwere Paket per DHL. Wir rechneten mit 2-4 Wochen Versand, dem doppelten, wie auf der Website angegeben. Schlussendlich dauerte es 2 Monate (4 mal so lang wie angegeben) und wurde nicht einmal ans richtige Ort geliefert.

Neben dem Warten auf das Paket nutzen wir die Zeit und strichen den Pool des Campingplatzes neu, machten Sandtrainingskurse, lernten nette Leute kennen und übten uns in Geduld.

Mit Andrés (@routeofthedesert), einem chilenischen Tourguide, der auch auf dem selben Zeltplatz wohnte, hatten wir die Möglichkeit, einen Fahrkurs im Tiefsand zu absolvieren. Nach zwei Stunden im Kreis fahren, waren wir komplett nass geschwitzt vom Umfallen, Motorrad aufstellen, stecken bleiben und sich immer wieder ausgraben. Wir merkten schnell, dass auch nur wenig Sand, den man als Autofahrer kaum merkt, für uns als Motorradfahrer viel Kraft braucht. Das ganze hier auf 2500 müM. und dann später noch auf 4000 müM. ist eine richtige Tortour und nicht zu unterschätzen. (Zum Vergleich: stellt euch vor ihr würdet mit einem Fahrrad durch einen gigantischen Sandkasten fahren und versuchen nicht umzufallen. Wir machten genau das, aber mit 200kg Motorrädern.) Auch einige Ausfahrten, die wir mir Andrés machten, waren technisch anspruchsvoll und es gab immer wieder sehr sandige Stellen, inklusive Sanddünen, die es zu überqueren galt. Rino hatte seine wahre Freude dran und auch mir gefiel es sehr gut, aber ich merkte immer mehr, wie ich und mein Motorrad an unsere Grenzen kamen.

Um die Wartezeit zu verkürzen, wollten wir noch einige Tage in Richtung Norden fahren. Also verabschiedeten wir uns von Marcus und Andrés und fuhren zu den Geiseren von Tatio. Wir übernachteten in der Nähe der Geiseren auf 4200 müM bei minus 13 Grad neben kochenden Wasserquellen, die aus dem Boden sprudelten. Am Morgen konnten wir von Weitem die Geisere sehen und danach bei um die Null Grad Aussentemperatur in einem heissen Fluss baden gehen. Es war der perfekte Morgen. Wir waren absolut alleine an einem wundervollen Ort. Danach fuhren wir weiter und folgten einem Schild in Richtung Calama, der nächstgelegenen Stadt. Die Strassen in diesen Regionen und auf dieser Höhe bestehen fast ausnahmslos aus Schotterpisten, meist Wellblechpisten mit stellenweise Steinen und Sand drauf. Grundsätzlich erfordern diese Pisten viel Konzentration, sind aber mit der richtigen Geschwindigkeit (für Motorräder eher höhere Geschwindigkeiten) recht gut machbar. Die Piste Richtung Calama war in einer Kurve plötzlich grossflächig mit sehr viel Sand überzogen, in denen schon tiefe Fahrrinnen waren. Sie verwandelte sich plötzlich in eine Tiefsandpiste mit Wellblech drunter. Nicht gerade ideal für Motorräder. Und so kam es, dass ich zwar gut hinein fuhr, aber mir das Vorderrad wegen einer Fahrrinne weggedrückt wurde, sodass ich vorne über den Lenker flog und auch das Motorrad sich überschlug. Zum Glück landeten wir beide im Sand. Da ich mit dem Gesicht nach unten gelandet war, hatte es mir den ganzen Helm mit Sand gefüllt und ich merkte schnell, dass mein rechter Arm sehr schmerzte und ich ihn kaum bewegen konnte. Auch mein Motorrad war vorne eingedrückt, sodass der Lenker blockiert war. Da wir noch nicht allzu weit von San Pedro weg waren, fuhr Rino zurück, bis er Handyempfang hatte und Kontakt mit Andrés aufnehmen konnte, der einen Anhänger für Motorräder hatte. Er kam das Motorrad abholen und fuhr es zurück auf den Zeltplatz, wo wir nach nur einer Nacht wieder zurück waren.

Mein Arm wurde schnell besser und ich war mir sicher, dass nichts schlimmeres passiert war. Es dauerte aber noch einige Wochen, bis ich wieder alle Bewegungen schmerzfrei machen konnte. Auch der Schaden an Mateo, meinem Motorrad, war nicht so schlimm. Grundsätzlich hatte es nur einiges eingedrückt und verbogen, aber gebrochen war nichts. Jedoch nutzen wir die Chance, einige Kleinigkeiten an der Front zu verbessern, sodass sie stabiler wurde und vor allem bei den Schotter- und Wellblechpisten das Material weniger leiden musste. Auch bemerkten wir, dass der Vorderreifen komische Blasen gebildet hatte und das Lenkkopflager der Lenkung ersetzt werden sollte. Ausserdem war ein Ölwechsel bei beiden Motorrädern mal wieder fällig. Und damit begann das Organisieren. Was sich für die Schweiz ganz einfach anhört ist in San Pedro eine Kunst aufzutreiben oder unmöglich. Chile ist ein sehr zentralisiertes Land. In Santiago, in der Hauptstadt gibt es alles, ausserhalb ist es extrem schwierig und oft auch nicht möglich gewisse Dinge zu finden. So mussten wir mit vielen Problemen (siehe Blogeintrag Chile und die RUT) an diversen Orten Ersatzteile bestellen. Nach zwei Wochen waren alle Teile bestellt oder gefunden und wir konnten mit der Reparatur los legen.

Als die Motorräder dann endlich wieder startklar war, war unser Paket noch immer nicht in Chile eingetroffen. Die letzte Meldung die wir hatten war, dass es vor drei Wochen Deutschland verlassen hatte. Solange wir nichts vom Paket wussten, wollten wir nicht los fahren.

Und so warteten wir. Vertrieben uns die Zeit mit Lesen, Motorrad fahren, ein wenig Schrauben und Basteln und hofften, das Paket möge bald ankommen. Es war ein schier endloses Warten. Der erste Handgriff am Morgen war das Mobiltelefon, wo wir nachgeschaut haben, ob das Paket endlich aus dem Zoll war. Und eines abends, nach über drei Wochen beim Zoll, war es dann endlich so weit. Es war auf dem Weg. Endlich, nach so langer Zeit warten, schien es bald anzukommen. Und dann ging alles ganz schnell. Zwei Tage später war es abholbereit, nur leider nicht in San Pedro de Atacama sondern in Antofagasta, einer Küstenstadt 300km weit weg. Dank dem lokalen Postbeamten wurde es aber dann doch noch nach Calama, einer Minenstadt nur 100km weit weg geliefert, wo wir es dann endlich abholen konnten!

Durch die lange Zeit in San Pedro de Atacama hatten wir die Möglichkeit den Ort, die Leute und die Region besser kennen zu lernen. Die Region Antofagasta, zu der San Pedro gehört, ist wie der ganze Norden von Chile sehr geprägt von den Minen. Der Hauptanteil des weltweit benötigten Kupfer und Lithium kommt von Chile oder besser gesagt von dieser Region. Die weltweit grösste Kupfermine ist direkt neben Calama (100km von San Pedro) und im Salzsee von Atacama (direkt neben San Pedro) wird Lithium im grossen Stil abgebaut. Die Ausbeutung der Natur ist an diesen Orten gewaltig, jedoch nicht stark sichtbar, da die Landschaft geprägt ist von Kahlheit, Bergen und riesigen Ebenen. Zwischen den Städten, die meist mindestens 100km auseinander liegen, gibt es einfach nichts. Ausserdem befinden sich diese Minen in der Wüste Atacama, der trockensten Wüste der Welt. Die roten Pickups auf der Strasse, die reihenweise daher rollen, sind Fahrzeuge der Minen und einige Städte wie Calama oder Antofagaste würde es ohne die Minen und deren Arbeiter wahrscheinlich gar nicht geben. Über die Minen selbst, wird sehr verschieden gesprochen. Die einen verurteilen die Ausbeutung der Natur, die Wasserknappheit bei der Bevölkerung, die dadurch resultiert und andere sehen den Reichtum und die Arbeitsplätze, die diese Minen bringen. Fakt ist, dass schlussendlich die meisten Minen in ausländischer Hand sind und deshalb Chile sehr wenig von diesem Reichtum abbekommt.

Für uns war das schönste in dieser Region die karge Natur, die im extrem Gegensatz zu der Natur der Schweiz stehen. Es gibt in den Bergen Strassen, die bis auf knapp 5000 Meter über Meer hinauf führen. Dort oben gibt es ausser Bergen und ein paar Büschen nicht viel. Und doch fasziniert sie. Immer wieder kommt man an Salzseen oder Lagunen vorbei. Flamingos in den Lagunen und Guanacos oder Llamas sieht man immer wieder neben der Strasse grasen und auch einen Ausblick auf einen Vulkan hat man meistens. Es war für uns faszinierend, diese andere Landschaft zu sehen und erfahren zu dürfen. Es ist sehr gefährliches Terrain, nicht zuletzt wegen der Höhe. Und doch freuen wir uns auf das nächste Mal „Altiplano“ (übersetzt „hohe Ebene“), die wir sicher auf der argentinischen Seite wieder finden werden.

Unsere Reise führt uns jetzt wieder zurück Richtung Süden, genauer gesagt nach Santiago, da dort ein Grenzübergang zu Argentinien seit diesem Monat geöffnet ist und wir somit die Möglichkeit haben, nach 10 Monaten in Chile, in ein anderes Land zu kommen.

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