Immer wieder erwache ich und öffne sanft ein Auge. Die ersten Sonnenstrahlen, welche die Dunkelheit vertreiben, sagen mir, wann es für mich Zeit ist aufzustehen. Mit der Sonne kommt das Zwitschern und Singen der Vögel. Die Welt erwacht. Und mit der Welt erwache ich, eingekuschelt in meinem Schlafsack, mitten im Nirgendwo. Ohne das Brummen eines Autos, ohne den Lärm von Baumaschinen und ohne jegliche menschliche Geräusche. Ich höre nur die Natur und ich bin ein Teil davon. Mit dem Kaffee in der Hand sitze ich vor dem Zelt, meist noch den Schlafsack über den Knien und schaue in die Ferne und sehe die Natur erwachen. Mit den Sonnenstrahlen auf dem Zelt wird es schnell warm und ich spüre, dass es Zeit wird einzupacken und weiter zu ziehen. Tagsüber bestimmen die Temperaturen und das Wetter meinen Rhythmus. Abends laden die letzten Sonnenstrahlen zum Geniessen und draussen Sitzen ein und meist verabschiedet sich der Tag mit spektakulären Farben auf den Wolkenformationen. Dann wird es Zeit für etwas mehr Schutz vor Kälte und Wind und es beginnen die gemütlichen Abendstunden im Zelt. Mit einem guten Buch in der Hand oder auch mal eine Folge von der Lieblingsserie auf dem Handy. Wenn das Tageslicht ganz weg ist, ist meist die Zeit gekommen schlafen zu gehen, da in wenigen Stunden die Sonnenstrahlen wieder das Zelt streifen werden.
Dann plötzlich schlafe ich einem Bett, in einem Haus, indem mich die Wärme, die sich während des Tages angestaut hat nicht schlafen lässt. Kein Luftzug, nichts. Und draussen brennen Strassenlampen und sagen mir andauernd, dass es Zeit ist aufzustehen. Der Lärm der Autos nimmt auch während der Nacht nur wenig ab. Immer wieder fährt in der Nähe ein Lastwagen rückwärts, und das Piepen lässt mich aus meinem sowieso schon leichten Schlaf aufschrecken. Der Nachbar hört von morgen früh bis abends spät Südamerikanische Partymusik und die Kommunikation zwischen der Nachbarin und ihrer Familie unterhält das ganze Quartier. Neben all den menschlichen Geräuschen kommen noch alle Hunde dazu. Im Chor bellen sie die ganze Nacht und lassen sich gegenseitig keine Ruhe.
Grösser könnte der Unterschied gar nicht sein. Zwei Welten, eine Person. Und je länger ich mich in der ersten Welt, in der Stille der Natur aufhalte, desto weniger gelingt mir das Anpassen an die Stadt. Die Zivilisation raubt mir mein Schlaf. Die Natur gibt mir täglich so viel Kraft und Energie, die Stadt entzieht sie mir. In der Zivilisation weiss ich nicht mehr, wer ich bin und was ich da soll, ich erkenne mich selbst nicht mehr. Wo ich doch früher Spass dran hatte, mich auch mal ins Getümmel zu werfen, empfinde ich es heute meist als laut und verstörend. Beim Wildzelten ist es enorm wichtig, alle Sinne geöffnet zu haben, damit man alle Geräusche und Veränderungen um sich herum wahrnimmt. Ich nehme alles in mich auf und das ist in der Stadt viel zu viel. Spätestens nach zwei Tagen habe ich Kopfschmerzen und einen immer grösser werdenden Drang weg zu gehen. Einfach raus, wohin ist egal, Hauptsache weg von den Menschen und ihren Geräuschen, hinein in die Stille der Natur.
Es ist erstaunlich, was ein paar Monate in der Natur mit einem machen können, wie stark man sich verändert und wie weit weg man von dem sein kann, was vorher der Alltag war. Ich war zwar noch nie ein Stadtmensch und doch war ich die letzten Jahre in der Schweiz täglich in einer Stadt. Ich merke immer mehr, wie ich die Natur brauche und ein Teil davon bin und wie gut mir das Leben in der Natur tut. Das Zelt ist mein Zuhause geworden und die wenigen letzten wenigen Male, die ich in einem Bett verbracht habe, wünschte ich mir mein Zelt und sogar meine Schlafmatte die Luft verliert zurück. Denn da fühle ich mich wohl, so nahe wie möglich an der Natur und deren Geräuschen.
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