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Peru 2023

4 Wenn Mateo nicht mehr will

Es gibt Momente, in denen wir die Ruhe suchen, in denen wir den Kopf voll haben und in der Stille und Ruhe Kraft tanken. Dann gibt es aber auch Momente, in denen wir uns nach Leben sehnen, nach Gleichgesinnten, nach einem Austausch mit Menschen, die uns verstehen, etwas Ähnliches machen und die wissen, was es heisst, für lange Zeit unterwegs zu sein. Menschen, die verstehen, welche Belastung es ist, wenn es mal überhaupt nicht rund läuft und das Fahrzeug nur Probleme macht und es sind Menschen, denen man nicht erklären muss, was es bedeutet auch mal einsam zu sein.

In den über zwei Jahren, in denen wir nun schon unterwegs sind, haben wir viele wundervolle und einsame Orte kennen gelernt. Wir haben viele Tiere gesehen und viele tolle Menschen getroffen, die uns ihre Art des Lebens und Denkens erklärt und gezeigt haben. Aber wir haben so gut wie keine anderen Reisenden getroffen. Dies lag sicherlich an der Pandemie, aber auch an der Strecke, die wir für uns gewählt haben. Doch jetzt waren wir in einem Land, Peru, in dem es viele Reisende gibt und wir wussten auch, wo sie zu finden sind.

Nachdem wir wochenlang nur gezeltet hatten, nie eine Toilette zur Verfügung hatten und nur in eiskalten Flüssen gebadet hatten, wollten wir auf einen Campingplatz, am besten noch mit anderen Reisenden. In Peru gibt es nur sehr wenige Campingplätze und einer der besten ist in Cusco zu finden. Cusco ist DIE Touristenstadt von Peru, wenn nicht sogar von ganz Südamerika. Der Machu Picchu, die Ruinen der legendären Inkastadt in den Bergen, lockt jährlich Unmengen von Touristen an. Und da Reisende manchmal auch zu Touristen werden, ist es einer der Orte, wo man auch Reisende trifft. So fuhren wir also auf diesen Campingplatz und wir hatten recht, es standen einige Reisefahrzeuge auf dem Platz. Trotz des eisig kalten Wetters, mit dem sich alle in ihren Wohnmobile und Busse verstecken, fanden wir schnell Anschluss und hatten auch schon unseren ersten vierbeinigen Freund auf dem Camping. Am Morgen früh, als wir noch in unseren Schlafsäcken eingekuschelt am Schlafen waren, hörte ich, wie direkt neben unser Zelt ein Van parkte. Ich wollte schon fast etwas sagen, da ich es zu diesen frühen Morgenstunden und direkt neben dem Zelt schon recht unhöflich fand, als ich plötzlich eine Stimme sagen hörte: „Wir kennen die zwei“. Nun war meine Neugierde geweckt und ich streckte mein Kopf aus dem Zelt und die Stimme hatte Recht gehabt, die kennen wir. Es waren Diana und Sebastian, zwei Schweizer, einige der ganz wenigen Reisenden, die wir in den letzten Jahren mehrmals getroffen hatten. Da sie gewusst hatten, dass wir schon auf dem Camping waren, brachten sie sogar noch frische Croissants zum Frühstück mit!

Wenn man in Cusco ist, kommt dauerhaft die selbe Frage: „Wart ihr auf dem Machu Picchu?“. Nein, wir waren nicht dort. Und dies hatte zwei Gründe: erstens ist der Machu Picchu einer der Hauptattraktionen in Südamerika und dort sind entsprechend viele Touristen zu finden und zweitens ist dieser Tagesausflug nicht gerade günstig. Es gibt verschiedene Varianten, wie man den Machu Picchu besuchen kann. Bei der gängigen Variante fährt man mit einem Zug hin, von da aus gibt es noch einen Bus und dann darf man zur gebuchten Zeit hinein und die Wege gehen, für die man vorher bezahlt hat. Der ganze Spass kostet dann über 200 Fr. Pro Person. Natürlich gäbe es noch einige andere, günstigere Varianten, aber für den Preis, der es immer noch kostet, war uns das Erlebnis nicht wert. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass es in Peru überall weitere Inka-Ruinen gibt, die man gratis oder fast gratis besuchen kann. Wir hatten uns schon einige davon angeschaut und wir liessen es uns auch nicht nehmen, eine Ruine zu besichtigen, die ganz in der Nähe des Zeltplatzes lag. Wenn man wusste, wo der Nebeneingang ist, konnte man sogar ohne zu bezahlen auf das Gelände. Hier möchte ich noch erwähnen, dass wir nicht grundsätzlich dagegen sind, etwas für eine Sehenswürdigkeit zu bezahlen. Dinge wie Ruinen müssen unterhalten werden und dies kostet Geld. Das sind wir auch definitiv bereit zu bezahlen. Aber meistens stehen die Preise für die bekannten Attraktionen in keinem Verhältnis zu den Preisen im Land. Als Beispiel kostet der Machu Picchu für internationale Gäste so viel, wie der monatliche Mindestlohn in Peru ist, rund 200 Fr. Natürlich ist er für nationale Besucher günstiger, aber es wird für viele Peruaner nicht möglich sein, den Machu Picchu je besuchen zu können. Ausserdem haben wir ausgerechnet, dass man für 200Fr. 90 Tage lang Mittagessen gehen kann. Entsprechend haben wir uns für das Mittagessen und gegen den Machu Picchu entschieden.

So verbrachten wir zwei Wochen auf dem Zeltplatz in Cusco, genossen die Gesellschaft der anderen Reisenden und die Annehmlichkeiten der Zivilisation, wie eine Toilette und eine warme Dusche. Doch unsere Zeit in Cusco war etwas beschränkt. Wir mussten uns langsam auf den Weg Richtung Norden machen, da wir nur noch einen Monat unseres Visums übrig hatten und noch einige Zeit im Norden des Landes verbringen wollten. Also entschieden wir uns eher auf direktem Weg, über die Hauptstrasse in den Bergen, Richtung Norden zu fahren.

Schon ziemlich bald nachdem wir los gefahren sind, begann Mateo, mein Motorrad während der Fahrt plötzlich auszuschalten. Aus unerklärlichen Gründen, schaltete sich der Motor einfach so aus. Dann musste ich die Zündung mehrfach aus- und wieder einschalten und dann sprang Mateo auch wieder an. Manchmal lief der dann perfekt für mehrere hundert Kilometer, oder aber nur für einige hundert Meter. Wir begannen uns immer mehr Sorgen zu machen und testeten fast täglich, was uns noch so in den Sinn kam. Da er aber immer wieder ansprang, fanden wir nie ein Problem. Wir konnten nichts anderes tun, als weiter zu fahren. Und es wurde immer schlimmer, teilweise waren wir uns nicht sicher, ob wir überhaupt noch weiter kamen. Und irgendwann blieben wir so gut wie stehen. Kurz nach einem kleinen Bergdorf, sprang Mateo zwar wie gewohnt immer wieder an, schaltete aber auch gleich wieder aus. Nach unzähligen Startversuchen, war dann auch die Batterie so gut wie leer. Mit viel Glück schafften wir es einige Kilometer zurück in das Dorf, wo wir in das einzige Hotel eincheckten und vor dem Hotel auf der Strasse wiedermal das Motorrad auseinander nahmen. Die Batterie brachten wir zum Aufladen in eine Werkstatt. Und wieder testete Rino alles durch, was ihm in den Sinn kam. Zum Glück hatten wir uns während dem Besuch in der Schweiz ein kleines Multimeter gekauft. Ohne dieses Multimeter wären wir ziemlich aufgeschmissen gewesen, da wir so gut wie nichts hätten testen können. Aber auch mit Multimeter fanden wir nichts. Am nächsten Morgen holte Rino die Batterie ab, doch diese war nicht geladen worden. Ob der Mechaniker keine Lust hatte, es vergessen hatte, oder ob sein Ladegerät kaputt war, wie er behauptete, wissen wir nicht. Wir waren aber ganz schön sauer. Da es der einzige Mechaniker in dieser Ortschaft war, der ein Ladegerät besitzt, musste Rino mit leerer Batterie zurück kommen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als Rino's Motorrad über eine Stunde vor dem Hotel laufen zu lassen, damit wir so meine Batterie einigermassen laden konnten. Unsere Laune war am Boden. Wir wussten nicht, ob wir weiter kamen und wir wollten auf keinen Fall bleiben, da wir in diesem Dorf scheinbar auf keine Hilfe zählen konnten. Die Peruaner fanden wir normalerweise zurückhaltend aber sehr nett, doch leider schien das in diesem Dorf etwas anders zu sein. Wir bauten die Batterie ein und schlossen das Multimeter direkt an der Batterie an, sodass ich während der Fahrt die Spannung kontrollieren konnte. Und siehe da, wir merkten, dass die Batterie manchmal nicht richtig geladen wurde. Immer wenn dies der Fall war, konnte ich das Motorrad aus und wieder einschalten und nach einigen Versuchen wurde die Batterie dann auch wieder korrekt geladen. Dies bedeutete, dass wir ein Problem in der Lichtmaschine oder im Regler hatten. Als wir diese kontrollierten, zeigte das Multimeter komische Werte an, aber nicht grundsätzlich schlechte.
Wir schafften es nach Huaraz, einer kleinen Stadt im nördlichen Peru, wo wir wussten, dass es einen guten Mechaniker hat. Wir erklärten ihm das Problem, testeten mit ihm nochmal die Lichtmaschine und den Regler und auch er war der Meinung, dass diese nicht mehr korrekt funktionierten. Also machten wir uns auf die Suche nach Ersatzteilen. Einen neuen Stator (eine elektrische Spuhle, welche die Drehung des Motors in Strom umwandelt) fanden wir nicht, respektive wäre auch zu teuer gewesen. Also entschieden wir uns für die Variante, ihn neu wickeln zu lassen. Dies wird in Europa nicht mehr häufig gemacht, ist aber hier noch gang und gäbe, da ein neuer viel teurer wäre. Auch den Regler zu finden war extrem schwierig und schlussendlich teuer. Fredy, der Chefmechaniker suchte in ganz Peru und wurde schlussendlich sogar fündig. Wir durften in seiner Werkstatt alles selbst auseinander nehmen und er liess uns dort selbstständig arbeiten. Und plötzlich fanden wir noch ein anderes Problem. Wir entdeckten einen Riss im Rahmen des Motorrades. Und zwar nicht ein kleiner Riss, sondern der Rahmen war bis auf einige wenige Millimeter komplett gebrochen. Glück im Unglück, da wir immerhin bei einem Mechaniker waren und er gute Kontakte hatte. Da Fredy noch in einer Mine arbeitet, hatte er guten Kontakt zu einem professionellem Schweisser mit dem höchsten Schweissdiplom. Genau die Person, die ich brauchte. Dass er seine Arbeit gut erledigen konnte, mussten wir jedoch den gesamten Motor ausbauen und absenken. Natürlich machten wir uns gleich an die Arbeit und zerlegten Mateo noch mehr. Zwei Tage später kam der Schweisse und die Schweissarbeit wurde perfekt ausgeführt und ich war sehr dankbar und glücklich, dass wir das Problem dort entdeckt hatten und es durch einen solch professionellen Schweisser repariert werden konnte.
Nach über einer Woche, in der wir täglich in der Werkstatt standen, war Mateo dann endlich wieder startklar. Wir waren guter Dinge, dass die Probleme jetzt gelöst waren und wir mal wieder die Fahrt geniessen konnten. Denn es ist schon sehr belastend, wenn man konstant Probleme mit dem Fahrzeug hat und nicht weiss, wie man damit weiter machen soll. So fährt man meistens nur Hauptstrassen, da die Angst irgendwo im Nirgendwo stehen zu bleiben zu gross wird.

Jetzt mussten wir uns beeilen. Wir hatten nur noch wenige Tage unseres Visa übrig um das Land zu verlassen. Und der Weg zur Grenze, war nicht ganz so einfach wie gedacht. Es gibt viele gute Strassen in Peru und überall wird konstant gebaut, repariert, wieder aufgebaut und verbessert. Durch die Topographie und das Klima scheint es in Peru extrem schwierig zu sein, die Strassen in gutem Zustand zu behalten. Es gibt jedes Jahr unzählige Erdrutsche, die viele Strassen zuschütten oder sogar mitreissen. Es scheint ein ständiger Kampf zu sein, damit die Strassen befahrbar bleiben. Die meisten dieser Strassen sind enge Bergstrassen, welche noch schwieriger zu unterhalten sind. Und so war es etwa mit den Strassen, die von Huaraz zu der Grenze führten. Es war eine Baustelle nach der anderen, mit viel Staub, Schlamm, Steinen, Kurven und elend langen Wartezeiten. Immer wieder mussten wir über eine Stunde warten, bis wir weiter fahren konnten. Der Weg zur Grenze schien fast endlos zu sein.

Kurz vor der Grenze machte Mateo plötzlich ein komisches, kratzendes Geräusch. Und wieder suchten wir nach dem Problem, was wir aber zum Glück auch schnell fanden. Die Radlager beim Vorderrad waren plötzlich kaputt. Noch vor ein paar hundert Kilometern hatten wir diese kontrolliert, aber da waren sie noch in Ordnung. Jetzt hatte das Rad richtig viel Spiel und das konnte ich unter Belastung auch hören. Nun standen wir wieder vor dem Problem, wo wir passende Radlager finden konnten. Wir entschieden uns eine andere Grenze zu überqueren, da kurz vor der Grenze noch eine grössere Ortschaft kam. Und wir hatten Glück. Wir fanden passende Radlager, nicht ganz in der gewünschten Qualität, aber immerhin gut genug, um bedenkenlos weiter fahren zu können. Es blieben uns nur noch ganz wenige Tage und da am Wochenende der Grenzübergang geschlossen war, mussten wir uns beeilen.

Am Freitagmorgen standen wir dann an der Grenze, vorbereitet wie immer, erledigten wir alle Zoll- und Migrationsformalitäten in Peru und dann hiess es geduldig sein. Der Grenzübergang, den wir gewählt hatten, war der kleinste zwischen Peru und Ecuador und deshalb auch nicht der schnellste. Auf der ecuadorianischen Seite wurden vom Zoll alle Dokumente fotografiert, an ein anderes Zollamt gesendet, wo alles ins System eingetragen wurde und dann erst bekamen wir unsere notwendigen Dokumente. Dies dauerte entsprechend lang. Wir warteten rund 3 Stunden vor dem Zollamt und plötzlich kam der Zollbeamte raus und meinte, die Dokumente seien fertig und müssten nur noch von uns unterschrieben werden. Juhuuu, endlich geschafft! Wir waren froh, als wir alles in der Hand hielten und wir waren froh in Ecuador angekommen zu sein. Zeitweise hatten wir Bedenken, ob wir es rechtzeitig aus Peru heraus schaffen würden, aber jetzt war es uns gelungen und wir hofften, auf eine ruhige Zeit, ohne mechanische Probleme in Ecuador.


Peru war für uns ein sehr spezielles Reiseland. Wir fühlten uns von Anfang an sehr wohl und wir hatten einen guten Draht zu der lokalen Bevölkerung. Viele würden die Peruaner als unfreundlich bezeichnen, aber wir finden, sie haben etwas Ähnlichkeit mit den Schweizern. Wir haben sie als sehr ruhig, zurückhaltend und respektvoll empfunden. In grossen Teilen von Peru leben die Leute von der Landwirtschaft. Gefühlt ist das ganze Land terrassiert und auf diesen Terrassen wird alles mögliche angebaut. Daneben hat jede Familie ein paar Hühner, Schweine und vielleicht ein, zwei Kühe. Sie scheinen sehr stolz auf ihre Kultur zu sein, denn fast alle Frauen tragen traditionelle Kleidung. Diese variieren sehr stark zwischen den Regionen, beinhalten aber alle mehrere farbige Röcke, die übereinander getragen werden, Strickjacken und Strümpfe und einen Hut. Vor allem die Hüte fanden wir sehr speziell, da diese einfach schwarz und rund sein konnten, es aber auch solche gab, die farbig bestickt waren, oder sogar weiss, sehr hohe, ja schon fast spitzig waren. Und das schönste an dieser traditionellen Kleidung fanden wir, dass sie im Alltag getragen wurde. In all den kleinen Bergdörfern in denen wir waren, wurden wir freundlich von den Menschen empfangen. Wenn wir auf sie zu gingen, öffneten sie sich und freuten sich sehr über unseren Besuch. Dies hatten wir so noch in keinem anderen Land erfahren und schätzten diese Freundlichkeit sehr. Für unsere Reiseart ist Peru perfekt. Über 3500müM kann man überall wild campen, die Natur ist atemberaubend, das Essen lecker und sehr günstig und es gibt viele Dinge, die man gratis besichtigen kann. Wir fühlten uns sehr frei in Peru und konnten uns ein wenig in eine sehr traditionelle und für uns recht andere Kultur hinein fühlen. Auch der Verkehr war wie in keinem anderen Land. Totales Chaos herrscht auf den peruanischen Strassen. Ohne Hupe geht hier gar nichts. Wir fanden es teilweise richtig amüsant, wenn wir uns durch enge Strassen voller Schlaglöcher mit hunderten von Motorrädern, Tuktuks und einigen Autos im Schritttempo quetschen mussten. Verkehrsregeln gibt es zwar, werden aber häufig nicht beachtet und es gilt die Regel, wer zuerst hupt, fährt zuerst. Peru ist für uns ein Land mit vielen Gesichtern, mit viel Tradition, einer Bevölkerung die sich nicht viel sagen lässt und es ist auch ein Land mit unendlicher Schönheit.






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