Peru 2023
3 Wieder in Peru
Mitten im NIrgendwo
Mitten im NIrgendwo
Nach 10 Wochen in der Schweiz, freuten wir uns wieder auf unser normales Leben 'on the road'. Es klingt vielleicht komisch, aber für uns war die Zeit in der Schweiz wirklich Urlaub und unser normaler Alltag ist unser Reisealltag unterwegs. Mit einem Kribbeln im Bauch nahmen wir unsere Motorräder wieder in Empfang. Natürlich waren sie noch immer da, wo wir sie gelassen hatten, nur etwas staubig sind sie in dieser Zeit geworden. Damit auch sie wieder legal auf die Strasse durften, mussten wir den temporären Import, den wir gestoppt hatten (siehe Bericht Peru, Endlich wieder Berge), wieder reaktivieren. Auch diesmal brauchten wir dafür wieder reichlich Geduld, aber nach einer Woche waren wir und die Motorräder endlich wieder startklar.
Der Weg führte uns Richtung Süden. Dafür mussten wir einen Tag auf der Panamericana (der Hauptachse durch Peru und durch den ganzen Kontinent) fahren. Und es bestätigte wiedermal unsere Reiseart, denn dieser Tag war grauenhaft langweilig und machte uns überhaupt keinen Spass. Umso erleichterter waren wir, als wir von der Panamericana abbiegen konnten, in die Reserva Nacional de Paracas. Diese wurde uns mehrfach empfohlen und wir wurden nicht enttäuscht. Die Reserva ist bekannt für eine spektakuläre Natur an der Küste. Und tatsächlich, das tiefblaue Wasser steht in starken Kontrast zu der staubig, wüstigen Landschaft. Wir waren begeistert! Nach dem üblichen Teil, der offen ist für Touristen und wo es auch Aussichtspunkte gibt, fuhren wir weiter nach Süden. Auf unserer Karte führte die Strasse weiter und sollte uns dann irgendwann wieder in die Zivilisation bringen. Nach einer Nacht wild campen mit einer unglaublichen Aussicht auf das blaue Meer mit sandiger, kahler Wüstenlandschaft als Kontrast, wagten wir den Weg nach Süden. Eigentlich wollten wir es ja ruhig angehen, immerhin sassen wir für fast 3 Monate nicht mehr auf den Motorrädern. Aber unser Wunsch wurde nicht ganz erhört und wir fanden uns bald auf Pisten wieder, die nicht mehr viel mit Strassen zu tun hatten. Es gab einige Spuren im Sand. Welcher Spur man folgen wollte, konnte man selber entscheiden. Immer wieder mussten wir uns Wege suchen, wie wir weiter fahren konnten, an Sanddünen vorbei, welche die 'Strasse' versperrten, bis wir an einem extrem steilen und hohen Abgrund standen. Und da standen wir nun, schauten runter auf eine Salzfläche und fragten uns, ob wir das schaffen konnten. Immerhin sahen wir Autospuren, die irgendwann auch mal diesen Hang hoch oder runter gefahren sind. Aber mit unseren grossen und schweren Motorrädern...? Wir gingen mal zu Fuss schauen, liefen den 'Weg' ab und überlegten uns, ob wir das wagen wollten. Doch wir hatten ein anderes Problem, zurück wollten wir eigentlich beide nicht mehr unbedingt und unten sahen wir immerhin eine ziemlich gut aussehende Strasse. Also entschieden wir uns, es zu wagen. Ein Motorrad nach dem anderen brachten wir im Schneckentempo nach unten. Der erste Teil ging sogar erstaunlich gut, aber der zweite Teil war einfach zu steil. Durch das Bremsen begann das Hinterrad weg zu rutschen und es blieb uns nur noch eine Möglichkeit: einfach runter rollen lassen. Mit viel Mut und noch mehr gutem Glauben, dass schon alles gut geht, rollten wir auf unseren Motorrädern runter und kamen auch heil unten an. Was für ein Abenteuer! Belohnt wurden wir dafür mit einer ziemlich gut festgefahrenen Schotterpiste und einem fetten Grinsen im Gesicht.
Als nächstes ging es nach Ica auf einen Camping. Ica ist bekannt für den Pisco, der peruanische Nationalschnaps und für die Dünenlandschaft. Aus dem Nichts erheben sich plötzlich riesige Sanddünen. Unser Campingplatz stellte gratis Sandbords zur Verfügung. Das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Statt mit einem Buggy, liefen wir zu Fuss die nächste Düne hinauf. Ich kann euch wirklich sagen, das ist noch strenger als man sich das so vorstellt. Wir brauchten gefühlt eine Ewigkeit, bis wir oben ankamen, aber dafür konnten wir dann so richtig weit runter boarden. (Sandboarden funktioniert wie Snowboarden, nur im Sand und nicht im Schnee.) Da der Anstieg aber zu streng war, blieb es bei nur einmal runter fahren.
Da es uns bei Sanddünen und am Meer grundsätzlich zu heiss ist, zog es uns in die Berge und davon hat Peru fast unendlich viele zu bieten. Peru ist vom Süden bis in den Norden von der Andenbergkette durchzogen und beherbergt rund 12 Berge, die über 6'000m hoch sind. Und wir nutzen diese Bergketten auch komplett aus. Fast unendlich lang (5 Wochen), waren wir zwischen den Städten Ayacucho und Arequipa im Niemandsland in den Bergen unterwegs. Für uns der Traum. Wir fuhren Tausende, wenn nicht sogar Millionen von Spitzkehren, eine Strasse war kurviger als die andere und sie alle führten auf der einen Seite von einem Berg runter in ein Tal, über einen Fluss (mit oder ohne Brücke) und auf der anderen Seite wieder Tausende von Kurven hoch. Für uns als Motorradfahrer das Paradies. Die Strassen waren mal besser mal schlechter, häufig Schotter, aber meistens in gutem Zustand. Teilweise fanden wir sogar perfekt asphaltierte Strassen, auf denen wir mal wieder Gas geben konnten, denn auf diesen kurvigen Andenstrassen kommt man einfach nicht vorwärts. Auch die Wildcampingplatzsuche wurde plötzlich einfach. Über 3500müM ist nicht mehr viel und da kann man auch überall das Zelt aufstellen, meist sogar an einem schönen Ort am Fluss. Das Ganze hat nur einen Nachteil: auf über 3500müM wird es Nachts ziemlich kalt. Also versuchten wir nicht über 4000müM zu übernachten, da dort nachts meistens Minusgrade herrschten. Ansonsten war es unser Campingtraum. Mitten im Nirgendwo aufwachen, ohne dass es jemanden stören würde und nur Natur und Ruhe zu haben.
Unser Highlight war ein Ort nahe eines Geysirs, namens Pachpupum, bei dem man auch noch toll baden konnte. Um zu diesem Geysir zu gelangen musste man drei Flüsse überqueren. Wir hatten ja schon langsam aber sicher Erfahrung beim Flussüberqueren, da es in Peru auf diesen kleinen Strassen immer wieder kleinere und grössere Flüsse gibt. Aber diese hier waren schon etwas grösser, als wir es gewohnt waren. Aber wir hatten gelernt die Strecke vorher zu Fuss abzulaufen, was meist nasse Füsse bedeutete, da das Wasser ja bekanntlich auch bei Endurostiefeln irgendwann oben rein fliesst, egal wie dicht der Schuh ist. Mit nassen Füssen ging es dann mit dem Motorrad auch noch durch. Auch diesmal meisterten wir die Sache erstaunlich gut und nach einem schönen Bad in warmem Schwefelwasser, entschieden wir uns, wieder durch die Flüsse zurück zu fahren und nach dem ersten zu campen.
Wie wir es schon gewohnt waren, wurden wir von Hirten begrüsst und sie freuten sich sehr, dass wir da waren und den Ort, an dem sie lebten so genossen. Alle, die durch den Fluss mussten, winkten und begrüssten uns. Von einem Farmer wurden wir dann eingeladen. Er meinte, wir müssten einfach den Fluss überqueren und dann zu Fuss den Hügel hoch, wo seine Farm sei. Also machten wir das und fanden auch seine Rinderfarm, wo gerade die Kühe sortiert und gezählt wurden. Da es schon bald Abend wurde und Feierabend war, luden sie uns nochmal für den nächsten Tag ein. Dann würden sie melken und Käse herstellen. Das war natürlich nach unserem Alpsommer in der Schweiz besonders spannend für uns. Also standen wir am nächsten Morgen wieder da, als sie anfingen zu melken. Dies lief etwas anders ab als bei uns. Über Nacht hatten sie die Kälber von den Mutterkühen getrennt, sodass auch viel Milch vorhanden war. Dann wurde immer wieder ein Kalb und die Mutterkuh zusammengebracht und das Kalb begann zu trinken. Und genau dann wurde die Kuh von Hand auf der Weide gemolken. 3 Frauen molken so über 60 Kühe, was bis nach dem Mittag andauerte. Die Milch wurde in grosse Plastikeimer geleert. Dort wurde auch direkt gekäst. Die Milch wurde nicht erwärmt, da sie ja schon warm aus der Kuh raus kam und so wurde das Lab, was natürlich Naturlab war, also Kälbermagen in Wasser ausgekocht und vergärt, direkt in diese Kübel geleert. Das Schweizer Lebensmittelamt hätte definitiv seine Probleme damit gehabt, aber in der Schweiz wurde noch vor ein paar Jahrzehnten auch so oder zumindest ähnlich gekäst. Auch um den Bruch zu schneiden wurde keine der schönen, schweizer Käseharfen verwendet, sondern ein einfacher Holzstock. Das Ergebnis war am Schluss etwas das selbe, wie mit der Harfe und der Käse wurde von Hand ausgezogen und geformt. Da durfte ich dann auch endlich helfen. Ich hatte den Frauen erzählt, dass ich auch Käserin war und wir haben uns über die unterschiedlichen Käseherstellungen ausgetauscht. Sie hatten dann auch ihre Freude, dass ich mithelfen wollte. Also sass ich lange Zeit da und formte einen Käse nach dem anderen. Als wir fertig waren, bekam ich natürlich auch noch zwei Käse geschenkt. In Peru isst man vor allem den ganz frischen Käse, der maximal ein paar wenige Tag alt ist. Und natürlich hat er besonders gut geschmeckt, da ich dabei sein konnte und sogar selber Hand anlegen durfte.
Die Farmer und natürlich auch die Frauen, die gemolken hatten und den Käse hergestellt hatten, sprachen meistens eine Mischung zwischen Spanisch und Quechua. Quechua ist die meistgesprochene, indigene Sprache, die es in Südamerika gibt und sie ist im Südlichen Peru in den Bergen sehr weit verbreitet. Zurückzuführen ist diese Sprache bis zu den Inkas. Heutzutage wird sie sogar in einigen Teilen Perus in der Schule gelernt. Viele Ortsnamen Perus haben den Ursprung im Quechua und es war für uns sehr spannend, diese Sprache mal so richtig hören zu dürfen, denn die Frauen untereinander haben irgendwann nur noch Quechua gesprochen. Sie fanden es teilweise auch amüsant, dass ich nichts verstand, haben aber trotzdem immer wieder für mich ins Spanische gewechselt.
Nach diesem tollen Erlebnis ging es weiter durch die Berge. Nach einem Monat ohne Campingplatz und ohne Dusche, wir mussten immer in den kalten Bergflüssen uns waschen, brauchten wir eine kleine Pause und hatten uns in Arequipa eine kleine Wohnung gemietet. Wir freuen uns immer riesig, wenn wir eine Wohnung haben, da wir dann ausgiebig kochen können und einfach mal wieder einen gewissen Raum für uns alleine haben. Doch meistens gibt es gewisse Gründe, warum wir in eine Stadt fahren, nämlich, dass wir wiedermal irgendwelche Ersatzteile für die Motorräder oder für sonst etwas brauchten. Im Peru wurde sie Suche nach solchen Ersatzteilen noch interessanter, als in anderen Ländern. Denn in Peru kann alles auf dem Markt gekauft werden und wenn ich alles schreibe, dann meine ich auch alles. Es gibt ganze Handwerkermärkte, mit allen erdenklichen Materialien und Werkzeugen (ein Traum eines jeden Handwerkers), Schuhmärkte, Gemüsemärkte, Früchtemärkte, allerlei Lebensmittelmärkte, Märkte mit Putzutensilien, Märkte mit Plastikgegenständen, Märkte mit Schuhen, Fleischmärkte, Fischmärkte, Käsemärkte, Souvenirmärkte, Märkte mit allerlei Haushaltssachen, Märkte mit Kleidern und was man sich sonst noch so alles vorstellen kann. Diese Märkte finden wir zwar toll und es ist auch immer ein gewisser Spass dabei, sich von Stand zu Stand durchzufragen, aber es ist auch immer die komplette Reizüberflutung. Da steht man mittendrin mit einer Einkaufsliste in der Hand und weiss gar nicht wo fragen und wird gleichzeitig noch von allen Seiten her angesprochen. Neben all diesen Dingen, die es zu kaufen gibt, gibt es auch immer einen Bereich, in dem Essen angeboten wird. Der beste Teil dort ist unserer Meinung nach die Fruchtsaftmeile. Es gibt meistens einen oder mehrere Gänge, in denen ein Stand nach dem anderen steht, wo frische Fruchtsäfte angeboten werden. Diese Stände sind auch bei den Einheimischen sehr beliebt und man kann dort jeden erdenklichen Fruchtsaft trinken. Es gibt auch den 'especial', der neben Fruchtsaft noch dunkles Bier, Eier, Milch, Honig und noch vieles mehr enthält. Richtig Nährreich! Nach dem anstrengenden Einkauf im Markt, gönnten wir uns meist noch einen leckeren Fruchtsaft.
Aber unsere Aufenthalte sind immer nur von kurzer Dauer und so ging es nach ein paar wenigen Tagen, weiter mit dem nächsten Ziel Cusco, der Touristenhochburg von ganz Südamerika.