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Peru 2023

2 Endlich wieder Berge

Es ist immer wieder spannend, wie schnell sich alles ändern kann, wenn man auf Reisen ist. In einem Moment liegt man in der Hängematte auf einem Amazonasschiff und im nächsten kurvt man mit dem Motorrad über tropische Berge.

Nach unserer langen Flussreise freuten wir uns wahnsinnig, endlich wieder auf die Motorräder steigen zu können und unsere Freiheit zu geniessen. Da wir am Morgen früh in Yurimaguas ankamen, konnten wir den Tag nutzen und direkt weiter fahren. Es war eine traumhafte Strecke. Sie führte uns in die bewaldeten, tropischen Anden, die wir bis jetzt noch nicht kannten. Über eine perfekt asphaltierte Strasse fuhren wir bis in die nächste, grössere Stadt Tarapoto. Schon in Iquitos hatten wir gemerkt, dass Peru verkehrstechnisch ein anderes Level ist, als all die anderen, südamerikanischen Länder, die wir bis jetzt bereist hatten. In Peru gibt es neben den normalen Verkehrsteilnehmern auch noch viele Tuktuks (dreirädrige Motorradtaxis) und natürlich kleine Motorräder. Der Fahrstil der Peruaner würde ich als chaotisch, laut und ein ewiges Durcheinander, das sich aber immer irgendwie auflöst, bezeichnen. Die Peruaner sind überhaupt nicht rücksichtslos, aber man muss stets seinen Platz einfordern. Es wird immer und überall gehupt, warum wissen wir oft auch nicht, aber wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass hupen durchaus etwas bringt, um sich den eigenen Platz zu erkämpfen. Die Spuren werden nicht ganz so genau eingehalten und Tuktuks und Motorräder haben sowieso überall noch Platz.

Die ersten paar Tage verbrachten wir auf einem Camping an einem See und genossen die Ruhe. Danach ging es weiter in die Anden. Wir fuhren noch einen weiteren Tag durch die bewaldeten Anden, bis wir zu einem Tunnel kamen. Auf der einen Seite des Tunnels war alles tropisch grün, es hatte viele Bäume und allerlei Pflanzen und nach dem Tunnel sah es komplett anders aus. Wir waren wieder im trockenen Teil der Anden gelandet. Keine Bäume und Wiesen mehr, sondern ganz viel Staub, kahle Felsen und Gräser. Einen so extremen Wechsel hätten wir uns nicht vorstellen können. Da wir aber auch die kahlen Anden sehr mögen, fuhren wir weiterhin voller Vorfreude immer weiter in die Berge. Und wir wurden nicht enttäuscht. Nach so vielen tausend Kilometern ohne richtige Berge (vom Süden Argentiniens bis in den Norden Brasiliens) genossen wir jede einzelne Kurve. Und es gab ganz viele davon. Schon bald merkten wir wieder, wie hoch die Anden eigentlich sind und so verbrachten wir unsere dritten Weihnachten unterwegs auf über 4'000müM bei einer Lagune. Auch die Temperaturen waren wieder angenehm bis kalt, nachdem wir für Monate nie unter 25°C gehabt hatten. Wir genossen jeden einzelnen Tag, an dem wir unterwegs waren. Zur Krönung fanden wir kurz vor Lima einen tollen Pass, der uns auf knappe 5'000müM brachte. Es war eine tolle Schotterstrasse, die zuerst durch die Reserva Paisajistica Nor Yauyos-Cochas führt, einer Reserva mit traumhaften Seen und Bergen. Danach führt sie immer weiter ins Altiplano (Hochebene) der Anden. Es war ein regnerischer und kalter Tag, aber der Blick in die Weite, der Weg durch Herden von Alpacas und entlang von Lagunen war traumhaft. Als wir fast auf dem höchsten Punkt ankamen, hielten wir kurz an für ein Foto. Als wir dann weiter fuhren wollten, lief mein Motorrad nicht mehr an. Und dies natürlich auf fast 5'000müM, bei ca 5°C und es hatte bereits angefangen zu schneien. Wir hatten noch nie Startprobleme gehabt, aber wenn schon, dann doch bitte in diesen einsamen Höhen und nicht in der Zivilisation. Zum Glück lag es nur an der Batterie, die wir überbrücken konnten und nachdem wir noch den Kühler vom ganzen Schlamm befreit hatten, knatterte Mateos Motor wieder wie gewohnt und es konnte weiter gehen. Klitschnass, müde und mit einem grossen Grinsen auf dem Gesicht kamen wir kurz vor Lima auf einem Camping an. Dies sollte bis auf weiteres die letzte Fahrt für uns gewesen sein.

Nach nicht einmal zwei Wochen weg vom Schiff, sollte es wieder eine Veränderung geben. Wir hatten uns in Brasilien entschieden, dass es an der Zeit war, in die Schweiz zu fliegen und unsere Familien und Freunde zu besuchen. Nach über 2 Jahren unterwegs, sehnten wir uns nach etwas Gewohntem und nach tiefgründigen Sozialkontakten. Zugegeben, wir vermissten natürlich unsere Freunde und die Familien, aber wir merkten schon lange, dass uns die Sozialkontakte unterwegs fehlen. Wir lernen zwar immer neue und auch nette Leute kennen, aber es ist schwierig in kurzer Zeit eine richtige Freundschaft aufzubauen. Meist beantworten wir immer die selben Fragen und nach einer kurzen Kennenlernphase ist es dann schon wieder Zeit weiter zu ziehen.

Zwei Wochen bevor unser Flug ging, kamen wir bei Carlos an. Carlos ist ein Lastwagenmechaniker, der seine Werkstatt ausserhalb von Lima hat und er ist nicht nur für seine gute Arbeit als Mechaniker bekannt, sondern auch, dass man bei ihm sein Fahrzeug einstellen kann, während man ins Ausland fliegt. Das Fahrzeug für eine gewisse Zeit einstellen ist nicht in jedem Land möglich. Bei jedem Grenzübertritt bekommen nicht nur wir ein Visa, mit dem wir für eine gewisse Zeit (meistens 90 Tage) im Land sein dürfen, sondern wir brauchen auch dasselbe für unsere Fahrzeuge. Das ist ein sogenannter Temporärer Import (TIP), mit dem wir legal unsere Motorräder in dem jeweiligen Land bewegen dürfen. Meist bekommen wir den für die selbe Zeitspanne, wie unser Visa. Läuft der TIP ab, darf das Fahrzeug nicht mehr bewegt werden, respektive muss ausser Land gebracht werden. Es gibt einige Länder unter anderem auch Peru, in denen man dieses TIP pausieren kann. Da dies etwas Zeit braucht, kamen wir genug früh bei Carlos an. Der Prozess in Peru ist eigentlich recht einfach. Man braucht einen Mietvertrag mit dem Besitzer, wo das Fahrzeug steht und die Polizei muss vorbei kommen und bestätigen, dass das Fahrzeug auch wirklich dort ist. Mit diesen Dokumenten kann man dann zum Zoll und die Pausierung beantragen. Klingt doch einfach... Wenn da nur die liebe Polizei nicht wäre. An vielen Orten hat die Polizei keine Lust mehr, diese Kontrolle durchzuführen und das notwendige Dokument auszustellen (obwohl sie müssten). Wenn man nicht einen Polizisten kennt, der das für ein Trinkgeld erledigt, kann man auch die Pausierung nicht beantragen. Zum Glück kannte Carlos einen entsprechenden Polizisten, der aber auch nicht sonderlich motiviert war. Wir hatten zwei Wochen Zeit, aber das Dokument von der Polizei hatten wir erst einen Tag vor der Abreise. Wir zelteten die ganze Zeit bei Carlos und hoffen, dass der liebe Herr Polizist endlich seine Arbeit erledigte. Wir waren froh, dass Carlos uns behilflich war und mit dem Polizist ständig in Kontakt war. Am Nachmittag vor unserem Abflug, hatten wir dann endlich die Dokumente und konnten sie online beim Zoll einreichen. Somit war der Prozess am laufen und wir mussten nur noch auf die Bestätigung des Zolls warten.

Am nächsten Morgen war es dann soweit. Wir standen früh auf und machten uns etwas nervös auf den Weg zum Flughafen. Wir hatten uns noch nie von unseren Motorrädern getrennt, wir waren in der ganzen Zeit nie nach Hause gegangen und wir wussten nicht, wie es sich anfühlen wird, wieder in der Schweiz zu sein. Wir freuten uns sehr auf unsere Familien und Freunde und gleichzeitig waren wir aber auch ein wenig traurig. Wir beide mögen Südamerika sehr und können uns auch gut mit den Kulturen identifizieren. Wir fuhren in den Urlaub in die Schweiz. Ich weiss, das klingt vielleicht komisch, viele meinen dazu „Urlaub vom Urlaub“, aber das ist es auf keinen Fall. Wenn man schon so lange reist wie wir, dann ist das Reisen das normale Leben, mit all den Höhen und Tiefen, die so zum Leben dazu gehören und einige Wochen in die Heimat zurück zu kehren, ist kein wirkliches nach Hause kommen, sondern ein Urlaub an einem Ort, den man sehr gut kennt. Nach Flugausfällen, Umbuchungen und Zugausfällen schafften wir es nach fast 2 Tagen Reise in die Schweiz, wo wir schon von unseren Familien freudig in Empfang genommen wurden.


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