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Peru 2023

1 4'000km Amazonas - Teil 2

Der erste Teil unserer Amazonas Flussreise findest du unter Berichte - Brasilien - 4000km Amazonas - Teil 1.

Die Reise über den Amazonas Fluss hatte bis jetzt schon über 2 Wochen gedauert und wir hatten erst den einfacheren Teil der Reise durch Brasilien hinter uns gebracht. Das grosse Abenteuer stand uns noch bevor. Die grosse Schwierigkeit jetzt war das Organisieren von einem Schiff, das uns von dem Grenzort weiter nach Iquitos und dann bis nach Yurimaguas bringt.

Der Grenzort besteht aus drei Ortschaften. Tabatinga (Brasilien) und Leticia (Kolumbien) sind auf dem Festland und Santa Rosa (Peru) ist auf einer Insel im Fluss direkt neben den anderen zwei Ortschaften. Es gibt keine Strasse zu einem dieser Orte, sie sind nur per Schiff oder per Flugzeug erreichbar. Zwischen den Ortschaften kann man sich grundsätzlich frei bewegen und da unsere Unterkunft in Leticia also Kolumbien lag, organisierten wir uns kolumbianische Pesos und eine SIM-Karte und frühstückten an einem Stand am Strassenrand. Nachdem wir unsere Unterkunft bezogen hatten, gingen wir zum Hafen und versuchten Informationen für unsere Weiterreise zu bekommen.

Am Hafen angelangt merkten wir schnell, dass das Weiterkommen definitiv nicht so einfach werden würde. Schon das Wort Hafen ist schwer übertrieben. Viele der schwimmenden Hafendecks, an denen wir unterwegs angelegt hatten, waren besser als der Hafen hier. Während wir in Tabatinga ohne Probleme von Bord kamen, schien es hier fast unmöglich zu sein mit Fahrzeug auf ein Schiff zu kommen. Der Wasserstand des Amazonas variiert sehr stark zwischen Trocken- und Regenzeit. Hier in diesem Grenzort bedeutete das etwa 10m Höhenunterschied, sprich einen 10m hohen Abhang, den wir mit unseren Motorrädern überwinden mussten, der natürlich nicht betoniert war, sondern aus loser Erde und Schlamm bestand. Wir entschieden uns zuerst nach Santa Rosa, auf die peruanischen Insel hinüber zu fahren und uns den Hafen dort anzuschauen, wo ein Schiff uns hoffentlich mitnehmen würde. Um nach Santa Rosa zu kommen gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit, kleine Holzkanus, auf denen man für 1Fr. Pro Person hinüber gefahren wird. In Santa Rosa sah die Situation noch schlechter aus als in Leticia. Einen Hafen gab es nicht und wir fanden auch keine wirklichen Infos, wann Schiffe von hier aus fahren. Wir fragten uns bei der Bevölkerung durch und bekamen nur sehr vage Informationen an welchen Tagen man vielleicht ein Schiff nehmen könnte. Es schien darauf hinaus zu laufen, dass wir warten mussten, bis das Schiff da war und dann am selben Tag verladen mussten. Es schien keine Möglichkeit zu geben, das Ganze etwas zu planen. Also passten wir uns wiedermal den Gegebenheiten an und versuchten alles möglichst spontan zu machen.

Wir hatten die Infos, dass an einem Mittwoch ein Schiff von Santa Rosa nach Iquitos, Peru fahren sollte. Also erledigten wir am Dienstag schon unsere Papiere bei der Migration in Peru, aber die Fahrzeugpapiere für die Motorräder konnten wir erst beantragen, wenn die Motorräder dann auch wirklich auf peruanischem Boden standen. Da wir sie aber nicht den Abhang hinaufschieben konnten, verblieben wir mit dem Zollamt so, dass wir sie rufen können, sobald die Motorräder auf dem Schiff sind.

Am Mittwoch Morgen ging es dann früh los. Wir packten die Motorräder und fuhren in Leticia zum Hafen. Dort kamen sofort viele Helfer, die uns ein Boot oder ihre Arbeitskraft anboten, um die Motorräder auf ein Kanu zu bringen. Doch zuerst fuhr Rino mit einem Kanu zum Schiff in Santa Rosa und fragte dort nach, ob sie uns überhaupt mitnehmen konnten und handelte einen guten Preis aus. Auf dem Rückweg fuhren sie dann noch zur Tankstelle, weil das Kanu dringend Benzin brauchte. Dann kam er zurück und wir hievten zuerst Rinos Motorrad mit etwa 10 Helfern auf das Kanu. Ich wartete geduldig am Hafen, bis sein Motorrad auf dem Schiff war und er zurück kam, damit wir meines mit dem selben Aufwand auf das Kanu brachten. Dann tuckerten wir zusammen auf die Insel Santa Rosa, wo unser Schiff mit Rinos Motorrad schon bereit stand. Dort warteten wieder weitere Helfer auf uns, die uns halfen das Motorrad aus dem Kanu, über den schlammigen Hang über eine Planke ins Schiff zu hieven. Es war ein grosser Kraftakt und die Helfer wollten alle gut bezahlt werden. Es lohnt sich hier noch zu erwähnen, dass man solche Preise unbedingt vom Vorfeld festlegen sollte, um danach Unstimmigkeiten zu vermeiden. Sie versuchen einem als Ausländer mehr Geld abzuknöpfen als einem Einheimischen, sind aber wirklich hilfsbereit und freundlich.

Sobald beide Motorräder auf dem Schiff waren, mussten wir zum Zollamt. Rino blieb bei den Motorrädern und ich ging zum Zollamt. Dort quatschte ich noch etwas mit den Zöllnern ehe wir uns in einem Tuktuk (dreirädriges Motorrad, ähnlich wie eine Rikscha) auf den Weg zum Schiff machten. Kurz vor dem Hafen meinte der Fahrer des Tuktuks, ob wir auf das Schiff wollten, das soeben davon fuhr. Und er hatte Recht, unser Schiff mit unseren Motorrädern drauf, fuhr davon. Sie sagten mir, ich solle nicht besorgt sein, es käme am Nachmittag zurück. Da Rino auf dem Schiff war, machte ich mir keine weiteren Sorgen. Leider war mein Handy auch auf dem Schiff, aber ich hatte noch etwas Bargeld in der Tasche, von dem ich mir immerhin eine Coca Cola leisten konnte. Dann setzte ich mich an den Hafen und wartete. Nach etwa einer Stunde hörte ich hinter mir ein „Hallo“. Ich drehte mich um und Rino stand da. Ich verstand die Welt nicht. Warum zum Teufel war er nicht auf dem Schiff? Als das Schiff Anstalten machte loszufahren, begann Rino mit dem Kapitän zu diskutieren. Dieser meinte, es wüssten doch alle, dass dieses Schiff jetzt noch einen anderen Hafen anfuhr, bevor es abends wieder zurück kam. Scheinbar wussten das alle, ausser wir. Rino wurde dann versprochen, dass die Crew auf unsere Motorräder und unser Gepäck schaute und er fuhr mit einem Kohlefrachter nach Leticia zurück, wechselte noch etwas Bargeld und kam dann zurück nach Santa Rosa. Es war ein ziemlich versch***ener Moment. Wir sassen da und unser ganzes Hab und Gut war weg. Wir konnten nur hoffen und vertrauen, dass alles noch da war. Da wir nichts anderes tun konnten als warten, gingen wir Mittag essen. Abends um fünf Uhr kam dann das Schiff zurück und unsere Motorräder und unser Gepäck war noch genau dort, wo wir es gelassen hatten. Ich fuhr zum Zollamt, diesmal mit Handy, Pass und Kreditkarte in der Hand und Rino blieb vorsichtshalber auf dem Schiff. Wir wussten nicht genau, wann das Schiff ablegen sollte und somit wussten wir auch nicht, wie viel Zeit wir hatten für den Motorradimport. Die Zöllner kamen und schauten sich die Motorräder an und danach ging ich mit ihnen mit, die Papiere ausfüllen. Alles klappte perfekt und wir waren beide an Bord des Schiffes als es los fuhr und wir hatten all unsere Papiere zusammen. Mit Blasen an den Füssen, nassgeschwitzt und todmüde gönnten wir uns ein Bier beim Schiffskiosk.

Die Fahrt von Santa Rosa nach Iquitos dauerte 3 Tage. Nach den brasilianischen Schiffen war dieses Schiff nicht mehr ganz so schön. Wir hatten Tiere geladen und jemand brachte sogar ein paar Hühner, ein Anderer eine Katze und einer sogar einen Affen in den Hängemattenbereich. Auch die Toiletten waren einfacher und weniger und der Platz wurde mit jedem Halt enger. Die letzte Nacht verbrachten wir alle Schulter an Schulter und sogar in den Durchgängen hingen Hängematten, was wirklich nicht mehr angenehm war.

Umso mehr freuten wir uns auf die Unterkunft, die wir in Iquitos gebucht hatten. Wir hatten auf Airbnb eine wundervolle kleine Wohnung mit Garten gefunden, auf die wir uns wahnsinnig freuten. Etwas Privatsphäre! Doch zuerst mussten unsere Motorräder wieder vom Schiff runter und wieder hatten wir einen steilen Hang, den wir überwinden mussten. Diesmal war er durch einige Baumaschinen vor kurzem umgepflügt worden und der lose Untergrund machte Rino und die Helfer, die schoben schwer zu schaffen. Doch mit viel Kraft und Schweiss gelang es uns. Wir genossen ein paar Tage Ruhe, Bewegung und eine etwas abwechslungsreichere Ernährung mit Gemüse. Auf allen drei Schiffen gab es jeden Tag das Selbe: Reis, Spaghetti, Bohnen und etwas Poulet. Wir hatten in der ganzen Zeit zu gut wie kein Gemüse gegessen und durch die komplett fehlende Bewegung ging es unserem Verdauungssystem nicht allzu gut. Einigermassen ausgeruht ging es nach ein paar Tagen auf das letzte Schiff von Iquitos nach Yurimaguas, wo es endlich wieder eine Strassen gibt.

Wie immer fuhren wir am Morgen zum Hafen, wo das Schiff stand, das uns mitnehmen sollte. Eigentlich war es ein reines Frachtschiff, aber sie meinten, dass sie uns trotzdem mitnehmen konnten. Zum Glück war dieser Hafen besser gebaut, sodass wir keinen Abhang hinunter mussten und die Motorräder über eine Planke ins Schiff schieben konnten. Auf dem oberen Deck konnte man seitlich einige wenige Hängematten aufhängen. Als wir kamen, waren noch nicht viele Passagiere dort. Doch mit der Zeit füllte sich das Deck mit immer mehr Passagieren und Waren. Es kamen etwa 80 dreirädrige Motorräder drauf und der Platz für Passagiere wurde immer kleiner. Am Schluss blieb den Leuten nichts mehr übrig als auf dem Boden zu schlafen, da die Decke zu hoch war um Hängematten aufzuhängen und es ansonsten keinen Platz gab. Wir waren sicher etwa 60 Passagiere auf einem Schiff, das eigentlich nicht für Passagiere gedacht war. Entsprechend gab es auch nur eine einzige Toilette. Man musste sich also den Toilettengang gut überlegen und am besten früh genug gehen, da es meistens eine lange Schlange gab. Die Schiffsküche änderte auch hier das Menü nicht, es gab weiterhin Reis mit Spaghetti, Bohnen und Poulet. Nur bis jetzt kam das Poulet aus dem Gefrierraum, während hier die Hühner auf dem Dach lebten und täglich frisch geschlachtet wurde. Immerhin konnte man so das Fleisch bedenkenlos essen. Der grosse Topf mit Spaghetti stand täglich zum Abkühlen neben der Toilettentür unter dem einzigen Wasserhahn für Passagiere. Dort schwammen die Spaghettis in leicht bräunlichem Wasser und natürlich konnten es sich einige Kinder nicht verkneifen, mal den Finger rein zu halten und darin zu rühren. Wenn man das alles ignorierte, dann war das Essen eigentlich gar nicht so schlecht und es wurde auch niemand krank davon.

Wir hatten Glück mit unserem Schiff. An anderen Häfen sahen wir Schiffe von der gleichen Rederei, bei welchen das Unterdeck voll mit Schweinen und Kühen waren und auf dem Oberdeck liefen mehrere Hundert Hühner frei umher. Eine kleine Ecke war dort noch reserviert für Passagiere. Da waren wir mit unseren Tuktuks an Bord definitiv besser dran. Aber auch auf diesem Schiff wurde die letzte Nacht zu einer Nervenprobe. Es kamen immer mehr Leute und am Schluss waren wir der Durchgangsort und wir wurden jedes Mal angerempelt, wenn jemand vorbei wollte. Was uns auf diesem Schiff besonders auf fiel, war die Menge an Müll, die im Fluss landete. Da es keine Abfalleimer gab, wurde alles einfach in den Fluss geworfen. Von übrig gebliebenem Essen, über Plastikflaschen bis zum Plastikgeschirr, das man selbst mitbringen musste, wurde alles einfach im Fluss entsorgt. Wir waren definitiv die einzigen, die ihren Müll mitgenommen hatten und ihn ordnungsgemäss in einen Mülleimer entsorgt hatten. Was dort damit geschieht, wissen wir auch nicht, wahrscheinlich landete er am selben Ort. Da es wahrscheinlich am Amazonas entlang keine Schiffe gibt, die den Müll in den Dörfern einsammeln, wird es wohl für die lokale Bevölkerung die einfachste und effektivste Art der Müllentsorgung sein. Rein werfen und weg ist er, ist doch praktisch...

Wir sehnten uns dem Moment entgegen an dem wir endlich runter von den Schiffen konnten, wir sehnten uns nach Privatsphäre, nach unserem eigenen Essen und nach Bewegung. Nach 4 Tagen auf dem letzten Schiff und insgesamt 4 Wochen Reise war es dann endlich so weit. Wir fuhren über die letzte Planke runter vom Schiff, weg vom Hafen und hatten endlich wieder eine Strasse vor uns. Es ist unglaublich sich vorzustellen wie weit wir mit dem Schiff gefahren sind (über 4'000km) und dass es dort keine Strassen gibt, die weg von den Ortschaften führen. Der Amazonas Regenwald ist unglaublich gross und der Fluss unglaublich lang. Wir durften an jedem Ort, an dem wir angelegt hatten das Leben vor Ort beobachten, wir konnten rosafarbenen Flussdelfinen beim Jagen zusehen, wir haben wiedermal gelernt geduldig zu sein und wir durften einen kleinen Einblick in eine völlig andere Welt erhalten. Das Leben am Amazonas Fluss entlang ist anders als sonst wo, aber auch dort ist die Zivilisation eingekehrt und sie haben Strom und Handyempfang wie überall auf der Welt. So weit weg und doch so nahe. Es war ein Abenteuer für uns und einmal mehr sind wir stolz auf uns, dass wir diese Strapazen und Unsicherheiten auf uns genommen haben. Es war eine lange und unsichere Reise, aber wir haben sie gemeistert.

Der Moment, als wir endlich wieder auf den Motorrädern sassen und über Berge durch den Urwald fuhren, war einfach traumhaft und wir genossen jede Sekunde davon.


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