Brasilien 2022
4 4000km Amazonas - Teil 1
Probeliegen in der Hängematte
das erste Schiff wird beladen
Hafen in Tabatinga
Probeliegen in der Hängematte
Was tun, wenn man nicht mehr weiterkommt? Diese Frage stellten wir uns immer wieder, als wir auf dem Weg Richtung Nordbrasilien waren. Brasilien hat die geografische Eigenschaft, dass es durch den Regenwald und die umliegenden Länder eher abgeschottet ist und für uns als Reisende zu einer Sackgasse werden kann. Nördlich von Brasilien liegt nur noch Französisch- Guyana, Suriname und Guyana, drei kleine Länder, durch die es nicht viel mehr als eine Strasse gibt. Diese drei Länder führen zwangsläufig nach Venezuela, was wegen jahrelangen politischen Unruhen für Reisende leider sehr schwierig geworden ist. Fazit, da oben kommt man nicht wirklich weiter. Was tun, wenn man in einer Sackgasse gelandet ist?
Wir haben uns auf unserer gesamten Reise immer versucht anzupassen und Möglichkeiten zu finden, so auch dieses Mal. Durch das nördliche Brasilien führt der grösste Fluss der Welt, der Amazonas und auf diesem sollte es doch möglich sein, bis nach Peru zu kommen. So war unser Plan. Nach kurzer Recherche fanden wir heraus, dass es Schiffe von Belém, der Stadt an welcher der Amazonas ins Meer mündet, über Manaus, einer Millionenstadt mitten im Urwald, bis zur Grenze nach Kolumbien und Peru gibt. Die Motorräder mitzunehmen sollte kein Problem, nur vielleicht ein kleines Abenteuer darstellen. Von der Grenze her weiter waren wir dann nicht mehr so sicher. Wir fanden heraus, dass es Warenschiffe gibt, auf denen man auch mitfahren kann, aber wir wussten nicht mit Sicherheit, wie gut wir unsere Motorräder mitnehmen könnten. Es klang nach einem Abenteuer und genau darauf hatten wir Lust. Mit unseren neuen, grossen Hängematten im Gepäck machten wir uns also auf nach Belém, wo das erste Schiff fahren sollte.
Belém ist für uns die Stadt der Mangobäume. Bei über 40°C, mit Motorradkleidern und Helm auf dem Kopf und mit laufendem Motor, der von unten her immer schön wärmt, standen wir eine gefühlte Ewigkeit im Stau in Belém. Immerhin hatten wir viel Schatten, da viele Strassen Mangobaum-Alleen waren. Riesige, wunderschöne Mangobäume soweit das Auge reicht. Wir stellten uns vor, wie die Bäume voller Mangos sind und wie die reifen Früchte auf die Fahrzeuge klatschen, wenn sie runter fallen. Unsere Mission in Belém waren aber nicht die tollen Mangobäume, sondern ein Schiff nach Manaus zu finden.
Und so gingen wir am nächsten Tag zur Ticketverkaufsstelle in Belém, wo man Tickets für sämtliche Schiffe bekommen sollte. Draussen wurden wir schon von vielen Verkäufern angesprochen und wir versuchten einen guten Deal zu ergattern. Dies gelang uns auch, vor allem, weil die Verkäufer nicht einschätzen konnten, wie gross unsere Motorräder sind und wir so den Preis für kleinere Maschinen bezahlt haben. Wir duften auch schon am nächsten Tag aufs Schiff und die erste Nacht noch am Hafen verbringen.
Voller Spannung und Vorfreude gingen wir also am nächsten Tag zum Hafen und fanden auch gleich unser Schiff. Es war ein buntes Treiben und viele Waren wurden in den Schiffsrumpf getragen. Wir duften schon aufs Schiff, doch unsere Motorräder wurden noch für eine Nacht in einer Lagerhalle verstaut. Die Schiffe, die auf dem Amazonas unterwegs sind, sind keine Touristenschiffe sondern Waren- und Personentransportschiffe. Diese sind die einzige Möglichkeit für die Lokalbevölkerung, die am Fluss wohnt, sich selbst und ihre Einkäufe und Waren zu transportieren. Entsprechend einfach ist auch die Unterkunft auf diesen Schiffen. Kabinen gibt es nur ganz wenige und die meisten haben ihre Hängematten dabei und verbringen die Tage auf dem Schiff in der Hängematte. So auch wir. Wir suchten uns auf dem noch leeren Schiff einen Platz aus und testeten zum ersten Mal unsere Hängematten. Den Rest des Tages verbrachten wir, indem wir beobachteten, wie das Schiff beladen wurde. Ganz anders als in der Schweiz wird in Brasilien alles von Hand in die Schiffe geladen. Jede 6er Packung Bier, jeder Zwiebelsack und jede Wasserflasche wird von Hand vom Lastwagen abgeladen und ins Schiff gereicht, wo es wieder gestapelt wird.
Nach der ersten Hängemattennacht kamen am Morgen früh schon weitere Passagiere und kurz vor Abfahrt durften dann auch noch unsere Motorräder an Bord. Über eine Rampe fuhren wir sie aufs Schiff. Und dann ging es auch schon los.
Der Amazonasfluss ist nicht einfach ein einziger Fluss, sondern besteht aus einem gigantisch grossen Flusssystem mit einem Hauptfluss und vielen Nebenflüssen. Mit dem Wasserpegel je nach Regen- oder Trockenzeit verändert sich dieses Flusssystem sehr stark. Schon bald gelangten wir auf einen kleinen Nebenfluss, auf dem man die lokale Bevölkerung beobachten konnte. Die Leute wohnen in einfachen Holzhütten am Fluss entlang und bewegen sich mit kleinen Booten vorwärts, da es keine Strassen gibt. Hinter den Hütten ist nur noch Wald.
Die 5 Tage auf dem ersten Schiff waren noch recht entspannt. Wir genossen den Ausblick auf den Fluss und den Wald und lagen noch gerne in unseren Hängematten. Wir waren sehr froh, dass wir uns noch gute Stoffhängematten gegönnt hatten und nicht in unseren Ultralight-Reisehängematten schlafen mussten. Da man nicht nur die Nacht, sondern auch noch den ganzen Tag darin verbringt, lohnt es sich wirklich eine grosse und bequeme Hängematte dabei zu haben.
Das Essen war auf diesem Schiff nicht inklusive, es gab aber eine Schiffsküche, in der man sich verpflegen konnte und zu meiner grossen Freude gab es sogar eine kleine Kochgelegenheit auf der ich mir meinen Morgenkaffee zubereiten konnte. Wir hatten im Vorfeld viele Geschichten von der Schiffsküche gehört und uns vorsichtshalber mit einigen Lebensmitteln eingedeckt, sodass wir nicht komplett darauf angewiesen waren. Bei tropischen Temperaturen, ist es aber schwierig, Lebensmittel für mehrere Tage dabei zu haben. Die letzte Portion Gemüse, die wir selbst mitgebracht hatten, war wahrscheinlich für Rinos Magen zu viel gewesen. In der Nacht wurde es ihm übel, er musste sich mehrmals übergeben und verbrachte die nächsten 24 Stunden im Delirium. Die Stahltoiletten und die nicht allzu beste Hygiene machte dieses Erlebnis für ihn nicht besonders erinnerungswürdig.
Wir kamen nach 5 Tagen mit etwas Verspätung in Manaus an. Manaus ist eine Grossstadt mit 3 Millionen Einwohnern mitten im Urwald. Erreichbar ist diese Stadt nur über zwei Strassen, welche nicht asphaltiert sind und sogar in der Trockenzeit mehr oder weniger Schlammpisten sind. Der einfachere Weg führt über den Amazonasfluss auf dem problemlos Hochseeschiffe, Containerschiffe und Kreuzfahrtschiffe bis nach Manaus fahren können. In Manaus wollten wir uns die Unterkunft ersparen und gleich das nächste Schiff suchen. Per Whatsapp hatten wir Kontakt zu einem Ticketverkäuer und wir wurden von unserem Schiff abgeholt und direkt aufs nächste gebracht. Dort wollte man die Motorräder schon aufladen, aber uns nicht auf dem Schiff übernachten lassen. Mit viel Diskussion gelang es uns dann doch, dass wir schon eine Nacht vor Abfahrt auf dem Schiff bleiben durften. Das Einladen der Motorräder war diesmal etwas abenteuerlich. Das Deck des Schiffes, auf das die Motorräder mussten, war etwa 1.5m unter dem Hafendeck. Eine Rampe konnte man leider wegen einer kleiner Mauer nicht hinlegen. Aber die Mannschaft wusste, wie man das Problem löst und legte uns eine einzelne Planke hin, über die wir die Motorräder ins Schiff wippten. Mit genügend helfenden Händen ging dies auch erstaunlich gut.
Am nächsten Tag fuhren wir dann auch schon los. Voller Vorfreude starteten wir in die zweite Fahrt. Nach einer halben Stunde wurde dann aber der Motor ausgeschaltet und wir trieben vor uns hin. Wir hörten Gerüchte über defekte Motoren und dass ein Mechaniker von Manaus geholt werden musste. Unser Beiboot verschwand und tauchte nach ein paar Stunden wieder auf, wahrscheinlich mit dem Mechaniker drauf. Nach etlichen komischen Manövern tauchte irgendwann ein Polizeiboot auf und nach etwa einem Tag an Ort und Stelle wurden wir zurück in den Hafen eskortiert. Dort standen wir noch mal einen Tag und warteten auf die Bewilligung, dass wir wieder ablegen konnten. Das Problem sei behoben worden. Nach einem weiteren Tag konnten wir dann wieder auslaufen und unsere Reise mit zwei Tagen Verspätung auch endlich starten. Zu unserem Glück war der Standard dieses Schiffes recht hoch und auch das Essen war inklusive. Alle waren froh, als es endlich losging.
Wie schon auf dem letzten Schiff, machte dieses Schiff an vielen kleinen Orten und Hafen unterwegs halt. Leute wurden ins Beiboot geladen und so nach Hause gefahren. Jeder Halt war ein kleines Abenteuer. Alle Passagiere versammelten sich an der Reling und schauten dem Spektakel zu. Es wurden immer viele Waren ein- und ausgeladen, natürlich alles von Hand, Lebensmittel wurden verkauft und man konnte sich mit vielen lokalen Leckereien eindecken oder sich ein frisches, kühles Getränk leisten.
Die Fahrt wurde lang, für alle Passagiere. Je länger wir auf dem Schiff waren, desto unruhiger wurden alle. Die Verspätung vergrösserte sich konstant und jeder Halt wurde gefühlt immer länger. Nach 9 Tagen, geplant waren 6 Tage, erreichten wir dann endlich unser Ziel, ein Grenzort zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru von dem aus keine Strasse weg führt und wir unser nächstes Schiff finden sollten. Wir waren unendlich froh, endlich von dem Schiff runter zu kommen und freuten uns auf etwas Privatsphäre in der Airbnb-Unterkunft, die wir gebucht hatten.
Wie unsere Amazonas Flussreise weiter ging erfährst du unter Peru - 1 4000km Amazonas - Teil 2.