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Brasilien 2022

3 Reisemüdigkeit unter Palmen

Eines unserer wenigen Ziele, oder besser gesagt Ideen, die wir im Kopf hatten, als wir nach Südamerika kamen, war den Nordosten Brasiliens kennen zu lernen. Nachdem wir eine Netflix Dokumentation über Streetfood im Nordosten Brasiliens gesehen hatten, zog es uns dorthin. Ausserdem ist diese Region weltweit berühmt für die traumhaften Strände und die Besonderheiten der Kultur. Uns wurde gesagt, dass man Brasilien erst dann kennt, wenn man im Nordosten war.

Von Rio de Janeiro aus gibt es nur wenige Wege in den Norden Brasiliens. Für uns kam nur einer in Frage; immer der Küste entlang. Die anderen ziehen sich fast endlos durch Soja- und Maisfelder. An der Küste erwarteten uns etwa 4'000km Sonne, Sandstrand, Palmen und Meer bis nach Belém, einer Stadt im Norden Brasiliens, wo der Amazonas ins Meer mündet. Während diesen 4'000 Kilometern lebten wir in Motorradklamotten oder Badehosen. Wir brauchten nicht einmal einen leichten Pullover, lange Hosen oder Schuhe. Wir zogen von Strand zu Strand und tranken eine Kokosnuss nach der anderen. Jeden Tag schwammen wir im Meer und genossen das warme Klima. Die Strände sind meist viele Kilometer lang und dementsprechend nicht so interessant. Wann immer aber ein Fluss ins Meer mündet entstehen wunderschöne Orte, an denen sich das Süss- und Salzwasser mischen und mit den Gezeiten verändert sich die Landschaft drastisch. Diese Flussmündungen sind für uns die schönsten Orte an der Küste Brasiliens.

Nicht nur das Meer ist dort das ganze Jahr über mit seinen 24-27 Grad Wassertemperatur immer angenehm warm, auch kulinarisch kann man sich an den Stränden gut verwöhnen lassen. In jeder Strandbar (barraca, Zelt genannt) gibt es leckeren, frisch zubereiteten Fisch und diverse Eintöpfe. Was wir besonders toll daran finden sind die vielen verschiedenen Beilagen und Saucen, die man dazu bekommt.

Schon bald nachdem wir in Rio de Janeiro aufgebrochen waren, merkten wir, dass wir extrem müde waren. Wir genossen zwar die Orte, wo wir waren, aber wir merkten, dass wir wenig Erinnerungen mitnehmen konnten und der Drang uns im Zelt zu verkriechen immer grösser wurde. Wir waren nicht mehr aufnahmefähig, alles zog an uns vorbei, ohne dass wir es uns merken konnten, reisen erfüllte uns nicht mehr. Es sind die kleinen, alltäglichen Dinge, die das Reisen so anstrengend machen. Dinge, die während einem Urlaub noch spannend und lustig sind, werden auf Langzeitreisen einfach nur anstrengend. Wir sind konstant am Ersatzteile organisieren, wir müssen täglich überlegen, wo wir hinfahren wollen und wo wir übernachten können. Hier in Brasilien ist wild campen mit einem Zelt eher schwierig. Also mussten wir jeden Tag Zeltplätze kontaktieren, nachfragen ob sie geöffnet haben und abklären, ob sie in unser Budget passen. Jeden Supermarkt, den wir betreten, muss abgeklappert werden, jedes Regal wird nach dem passenden Produkt durchsucht, Preise verglichen etc. Viele Teile, die wir für die Motorräder oder unser tägliches Leben benötigen, wie zum Beispiel einen neuen Benzinkocher, Schlafmatte und vieles anderes sind extrem schwierig zu finden und wir schreiben unzählige Orte an und finden nur mit ganz viel Glück, die benötigten Teile.

Wir hatten uns immer gesagt, dass wir nur dann reisen werden, wenn wir auch wirklich Lust dazu haben. Also entschlossen wir uns, eine Auszeit zu nehmen. Wir suchten auf Airbnb ein geeignetes Zuhause auf Zeit. Dies fanden wir in der Nähe von Natal, einer Stadt im nordöstlichsten Zipfel von Südamerika. Wir waren insgesamt 5 Wochen in unserem Häuschen in einem Dorf am Meer mit günstigen Kokosnüssen und einem Früchtemarkt vor der Haustür. Die erste Woche machten wir nichts. Wir schliefen viel, lasen einige Bücher oder lagen einfach in der Hängematte. Ich glaube, wir haben auch die mentale Belastung bei einer solchen Reise unterschätzt. Jeden Tag ist alles neu und all diese neuen Inputs müssen verarbeitet werden. Dies braucht viel Zeit und Energie. Obwohl wir genau aus diesem Grund langsam reisen, hatte sich in letzter Zeit scheinbar viel angesammelt. Der ganze organisatorische Aufwand um die Ersatzteile, die wir in Rio verbauten und die damit verbundenen Unsicherheiten, waren wohl belastender als erwartet. Ausserdem waren wir nun schon seit zwei Jahren unterwegs. Zwei Jahre sind eine lange Zeit und schon unser Reisestart war durch die Pandemie erschwert gewesen und kostete uns damals schon viel Energie. Umso mehr genossen wir unser Häuschen. Wir kochten wieder mal alle Gerichte, die mit unserem Campingkocher schwierig sind, backten Kuchen, Zopf und sogar Gipfeli und probierten lokale Gerichte aus. Langsam kam unsere Energie und die Lust weiter zu reisen zurück. Wir spürten, dass diese Pause sehr wichtig war und wir sind froh, dass wir uns dies eingestanden hatten.

Zum Schluss unseres Aufenthaltes bekamen wir eine Einladung von Werner und seiner Familie, Schweizer, die ganz in der Nähe ihren zweiten Wohnsitz hatten. Wir verbrachten zwei tolle Tage mit ihnen und freuten uns sehr über tolle Gespräche und nette Gesellschaft. Mit zwei Quads erkundeten wir den Strand und die vielen Dünen daneben und fanden so wunderschöne Lagunen in mitten der Dünen. Natürlich machte es auch einfach mal Spass mit so einem Gefährt herum zu fahren.

Mit etwas Skepsis, wie lang diese neugewonnene Energie wohl anhalten würde, fuhren wir nach 5 Wochen wieder los, weiter an der Küste entlang.

Und wieder fanden wir wundervolle Strände mit klarem Wasser, einer Kokospalme nach der anderen, viel Sand und noch viel mehr Sonne. Auch die Kitesurfer wurden immer mehr und wir liessen uns erklären, dass der Nordosten Brasiliens durch die konstanten Winde ein Kitesurf-Paradies sei. Je weiter wir in den Norden kamen, desto mehr änderten sich die Menschen. Die Brasilianer waren bis jetzt recht ruhig und reserviert gewesen, völlig entgegen dem, was man so über die Brasilianer hört. Auch im Dorf, wo unser Häuschen stand, war es sehr ruhig. Wenn Musik lief, dann nur während dem Tag und sobald es dunkel wurde, spätestens aber ab 20.00 Uhr, war dann Ruhe. Doch im Norden wurde es immer lauter und wilder. Endlich kam das Brasilien, welches wir überall gesucht hatten. Die Strassen wurden schlechter und staubiger, die Leute lauter, der persönliche Raum immer kleiner und das Interesse an uns und unseren Motorrädern wurde grösser. Obwohl wir noch nie in Afrika waren (ausser Marokko), erinnerte es uns vereinzelt an Bilder, die wir aus Afrika kannten.

Die Zeltplätze wurden immer weniger und wir mussten wohl oder übel einige Hotels buchen, da es ansonsten keine Unterkünfte mehr gab. Die letzten tausend Kilometer bis nach Belém fuhren wir recht zügig. Einerseits, da es dort nicht mehr viel gibt, andererseits da es uns weiter zog und wir uns nach so vielen tausend Kilometern Küste auf eine neue Etappe freuten. Um unsere neue Etappe antreten zu können besuchten wir einen Laden, der Hängematten in sämtlichen erdenklichen Ausführen anbot und wir suchten uns zwei grosse, schöne Hängematten aus, in denen wir in den nächsten Wochen viel Zeit verbringen werden.

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